In einem aufwändig gestalteten, bebilderten Sammelband reflektieren WissenschatlerInnen und PraktikerInnen die Kulturgeschichte des Volkstanzes in Österreich und Südtirol in den vergangenen 150 Jahren. Dabei wird auch die Zeit des Nationalsozialismus reflektiert, in der auch Brauchtum, Musik und Tanz dem Gesinnungsterror unterworfen waren.
Heute darf das Volk, ob jung oder alt, wieder tanzen wie ihm die Beine gewachsen sind. Die Freude an der Bewegung, das Ausagieren der Emotionen, das Balzen und Flirten in erlernter Choreografie oder freier Improvisation ist wieder möglich, ohne damit eine Aussage über Weltanschauung oder politische Einstellung treffen zu wollen oder zu müssen. Das war nicht immer so: „Tanz ist Gesinnung“ postulierten die Nationalsozialisten und usurpierten damit jegliche Form des Tanzens, vom Volkstanz bis zum Bühnentanz. Die Nachwehen waren in allen Bereichen, vor allem in dem der Volkskunde und Brauchtumspflege, bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zu spüren. Erst in den 1990er Jahren ist die Sensibilität gegenüber der faschistoiden Aufladung der Volkstanzkultur gestiegen. Volkstanz wurde endlich entnazifiziert, wieder jugendfrei und gesellschaftsfähig. Ob in der neuen Form der Volkskultur den BesucherInnen aus aller Welt gezeigt oder beim Hochzeitsfest in fröhlicher Runde gepflegt: Über Volkstanz die Nase zu rümpfen ist kaum noch in Mode.
Es ist längst Zeit, an die „Aufräumarbeiten“ zu gehen. „Sie sind notwendig für das Verständnis zahlreicher historischer Entwicklungsstränge. Gleichzeitig werden sie uns, so ist zu hoffen, Kopf und Herz für die unbefangene Betrachtung aktueller und künftiger Entwicklungen frei machen und das von unserer Generation weiterzugebende Erbe entlasten.“ (Helmut Jeglitsch, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz, im Vorwort). Waltraud Froihofer, die das Projekt initiiert und das in mühsamer Kleinarbeit (und nach langen Diskussionen) entstandene Werk herausgegeben hat, hat sich auch dieser Aufgabe, der Betrachtung des Volkstanzes im Schatten der NS-Zeit, unterzogen.
Der Bogen, der mit einem Blick zurück in frühere Jahrhunderte ansetzt, sich über den Volkstanz als Idee bis zu Forschung, Dokumentation und Pflege spannt, endet mit dem Ausblick auf neue Projekte für Kinder und Jugend, die beweisen, dass Volkstanz nur eine Form des Tanzens ist. Er wandelt sich und passt sich den sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnissen an, wie der Bühnen- oder Gesellschaftstanz.
Herausgeberin und AutorInnen sehen die Beschäftigung mit dem Volkstanz als kulturgeschichtliches Phänomen „als unumgänglich für die Vermittlung eines toleranten, zukunftsorientierten, offenen Volkstanzbildes.“ Durch die Vielfalt der aufgenommenen Arbeiten und die interdisziplinäre Blickrichtung ist eine spannende Diskussion der Thematik möglich.
Wenn die nächste Auflage durch ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ergänzt wird, ist diesem Blick auf den 150 Jahre Volkstanz nichts mehr hinzuzufügen. Doch eins noch: Die österreichische Volkstanzbewegung wurde 2011 in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.
Waltraud Froihofer: „Volkstanz zwischen den Zeiten. Zur Kulturgeschichte des Volkstanzes in Österreich und Südtirol“ Buch mit DVD. Bibliothek der Provinz, 2013. 288 S.
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