Es gibt ein doppeltes Jubiläum zu feiern, daher legt Erwin Piplits eine (im wahren Wortsinn) gewichtige Dokumentation von 40 Jahren Arbeit mit dem Serapions Ensemble und 25 davon im Theater Odeon vor. Mit der „Serapions Fabel“ schreibt der Theatermacher auch ein Stück Wiener Kulturgeschichte, die oft von Absurditäten der Kulturpolitik und Behördenwillkür gekennzeichnet ist.
Jede Berufsbezeichnung greift zu kurz, denn Erwin Piplits' Profil als Bühnenbildner entzieht sich ebenso wie seine Theaterarbeit der traditionellen Klassifizierung. Bevor er seine eigene Truppe aufbaute war er jedenfalls mit dem Bau von Theaterplastiken und –figuren befasst, die seine Arbeit bis heute noch prägen, ebenso wie die Kostüme seiner Partnerin seit 1973, Ulrike Kaufmann, mit der er das Serapions Ensemble gründete. Die erste gemeinsame Arbeit der beiden hieß „Die Stradafüßler“, die im Rahmen eines Puppenspieler-Ateliers in Neumarkt an der Raab entstand und später in das Repertoire ihres eigenen Theaters Pupodrom aufgenommen wurde. Zwei Jahre lang war das Pupodrom auf Achse bevor es sich 1977 in einem aufgelassenen Kino am Wallensteinplatz (dem heutigen Vindobona) einmietete. Bald wurde das kleine Theater in 20. Wiener Gemeindebezirk ein Geheimtipp, aber der Durchbruch gelang dem Ensemble mit dem Namen Serpions Theater (1980) und dem Stück „Der Gaulschreck im Rosennetz“ nach Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Das Serapions Theater etablierte sich damit als innovatives, visuelle Beweguns- und Figurentheater, als poetisches Bildertheater mit prachtvoller Bühnenausstattungen. Erwin Piplits nennt es „universelle Theaterarbeit“.
In seiner „Serapions Fabel“ beschreibt Piplits auf 560 Seiten in chronologischer Abfolge etwa 40 Produktionen der mittlerweile legendären Theaterarbeit, für die er und Ulrike Kaufmann verantwortlich zeichnen. Der Band ist mit etwa 600 Fotos prächtig bebildert, einige Kapitel geben grundsätzliche Informationen über die Beweggründe und Theaterarbeit der beiden Schöpfer. Die meisten Produktionen wurden mit dem eigenen Ensemble realisiert, das seit 1988 das Odeon in der ehemaligen Wiener Getreidebörse im 2. Wiener Gemeindebezirk bespielt. Die Titel der vier Abschnitte des Buches verweisen auf die Schwerpunkte der jeweiligen Schaffensperiode: „Mensch und Kunstfigur“, „Grotesk und phantastisch“, „Ironie und Wirklichkeit“, „Visuelle szenische Poesie“.
In all den Jahren scheuten Piplits und Kaufmann weder das künstlerische noch das finanzielle Risiko. Sowohl das Theater am Wallensteinplatz wie auch das Odeon mieteten sie auf eigene Faust an, für die Kredite für den Umbau hafteten sie selbst und die Wiener Kulturpolitik machte es ihnen nicht einfach, sich durchzusetzen. Über die Planung des Odeon schreibt Pitplits etwa: „Wir hielten unser Vorhaben zunächst bedeckt, um eventuelle Querschüsse zu vermeinden, und verbreiteten sogar, dass wir aufhören wollten … Niemand glaubte, dass wir das schaffen würden … ‚Das schau ich mir an’, sagte ein Kulturreferent und sein an sich schon schräg im Gesicht stehender Mund wurde dabei noch schiefer…“
Auch die Zusammenarbeit mit den Wiener Festwochen an außergewöhnlichen Orten erwies sich als Achterbahn. „Anima“ an der Donau brachte der Truppe 1986 einen überwältigenden Erfolg, und wurde im Folgejahr wieder aufgenommen. Dagegen trieben die Folgekosten von „Seltsame Unruhe“ im Wienfluss-Bett das Serapions Ensemble einmal mehr beinahe in den Ruin.
Auch nach 40 Jahren bedeutet die Theaterarbeit für Erwin Piplits und Uli Kaufmann ein Lavieren um das finanzielle Überleben ihres Theaters und ihres Ensembles. Doch auch heute noch verteidigen sie ihre Unabhängigkeit mit jenem ungebrochenen Abenteuergeist, der der Gründergeneration der freien Theaterszene in Wien gemeinsam war. Auch in diesem Sinne ist die „Serapions Fabel“ eine sehr interessante Lektüre.
Am 30. November präsentiert Erwin Piplits sein Buch im Anschluss an ein Konzert des iranischen Musikers Mohammad Reza Mortazavi im Odeon. Ein von Max Kaufmann gestaltetes Video wird nach der Präsentation zusätzlich Eindrücke über die Theaterarbeit vermitteln.
Erhältlich ist „Serapions Fabel“ (erschienen im Eigenverlag) exklusiv im Odeon und bei Leporello – die Buchhandlung am Stephansplatz und in der Burg (Buchpreis: 39€)
Die neueste Produktion des Serapions Ensembles „PaRaDiSo“ wird im Dezember wieder aufgenommen (6.-18., und ab 26. Dezember) und steht danach mit Unterbrechungen bis April 2014 auf dem Spielplan.