Die für die laufende Saison an der Volksoper Wien programmierte Premiere von „Lady in the Dark“ ist ein guter Grund, sich einer Dame zu erinnern, die, im hellsten Scheinwerferlicht stehend, 1941 am Alvin Theatre in New York neben Kurt Weill (Musik), Moss Hart (Buch) und Ira Gershwin (Gesangstexte) als Choreografin zu den Uraufführungs-Autoren dieses „Musical Play“ zählte: die gebürtige Wienerin Albertina Rasch! Die „New York Herald Tribune“ mit ihrem legendären Ballettkritiker Walter Terry nannte die Arbeit der Rasch „a bang-up job“.
Als exzellenter Chronist der Szene hielt Terry sofort das Herausragende der Choreografie für das ungemein erfolgreiche Stück fest: In ihrem Konzept führe Rasch nämlich konsequent das weiter, was der Komponist Weill schon seit den Zwanzigerjahren angestrebt habe, nämlich „Musik Teil der Handlung werden zu lassen und die Charaktere durch die Musik zu entwickeln“. Gemäß der Dramaturgie der zwei Ebenen – der Realität sowie des Traums (bzw. des Unterbewusstseins) – entfaltet sich der Tanz, neben dem Gesang und der Show, allein im Traum. Terry schreibt: „Mme. Rasch had made the dance episodes an integral part of the whole scheme of production.“ Und er resümiert: „The season᾽s dance on Broadway seems better than ever.“
Albertina Rasch – Gründerfigur des amerikanischen Balletts?
Kaum gelingt es, all die Unternehmungen von Rasch, die sie bis zu Beginn der Vierzigerjahre in den USA initiiert und zum Erfolg gebracht hatte, gebührend zu resümieren. Verschwindend wenig davon ist in Europa, besonders aber in ihrer Heimatstadt Wien, im Bewusstsein. Abgesehen von der so überaus erfolgreichen Karriere als Première danseuse verschiedener amerikanischer Opernhäuser – auf die weiter unten eingegangen wird –, begann mit der 1923 erfolgten Eröffnung ihrer Schule im Steinway Building in Manhattan der unvergleichbare Aufstieg der Rasch. Dort adaptiert die Wienerin den klassisch akademischen Tanz für das Broadway-Theater und den Film.
Schon ab 1924 gibt es die „Albertina Rasch Girls“, als permanente Truppe von 50 Mitgliedern bilden sie das Hausballett im New Yorker Hippodrome. Was die Mädchen tanzen, ist eine Verquickung von Precision Dancing mit Ballett und Jazz-Dance-Elementen, ein Stil, den Rasch selbst als „New World Ballet“, später als „American Ballet“ bezeichnet. Cross country Vaudeville-Touren machen die Truppe landesweit bekannt. 1924 beginnt die Zusammenarbeit mit dem aus der Ukraine stammenden Alexander-Glasunow-Schüler Dimitri Tiomkin (1894–1979), der als Klavierbegleiter auf den Tourneen fungiert (in diesem Metier hatte er bereits in Russland als Begleiter von Tamara Karsawina Erfahrung gesammelt). Tiomkin wird später nicht nur zum Ehemann von Rasch, sondern auch zu einem Giganten unter den Filmkomponisten Hollywoods.
Rasch, die auch oft in London und Paris mit eigenem Ensemble – den „Albertina Rasch Dancers“ – gastiert, nennt eines ihrer Programme selbstbewusst „Terpsichore’s Best“. Sie wird zu einer führenden Choreografin für Oper, Operette, Musical, Revue, Vaudeville, Live-Prologe in Kinopalästen, Zirkus und Film sowie für Solo- und Gruppenwerke in eigenen Tanzabenden. Sie schreibt Ballettgeschichte mit ihren ersten Choreografien für George Gershwins „Rhapsody in Blue“ (1925) und „An American in Paris“ (1929). Sie kann aber auch als Wegbereiterin für Musical-Choreografen wie Agnes de Mille oder Jerome Robbins angesehen werden, gilt sie doch als eine der Ersten, die handlungsführenden Tanz in Musicals integrierte. Darüber hinaus nimmt sie insofern eine Monopolstellung ein, als sie – zuerst am Broadway, dann in Hollywood – die Männerdomäne der in dieser Branche Tätigen durchbrach. Angesichts all dessen kann sie mit Fug und Recht als eine Gründerfigur des Balletts amerikanischer Prägung angesehen werden. – Und sie war immer bereit, ihre Kunst auch für einen „guten Zweck“ auszuüben: sei es durch Betreuung von Truppen ihrer neuen Heimat im Ersten Weltkrieg, wofür sie mit einem Orden dekoriert wurde, oder durch Auftritte zugunsten der American Relief Administration, deren Wirken in Europa letztlich auch ihrer alten Heimat Österreich zugutekam.
Liegen die Wurzeln des amerikanischen Balletts in Wien-Margareten?
Zu der schier märchenhaften Karriere der Albertina Rasch gehören Herkunft und Ausbildung, die noch in vergleichsweise bescheidenen Bahnen verlaufen. Sie wurde am 19. Jänner 1891 in Wien als uneheliche Tochter von Albertine Rasch geboren. Die Mutter, sie stammt aus Bennisch in Österreichisch-Schlesien (heute Horní Benešov, Tschechien), konnte sich auf der Wiedner Hauptstraße den Salon „Robes et Modes“ und eine Lehranstalt für Schnittzeichnen und Kleidermachen aufbauen. Albertina erhielt ihre Tanzausbildung keineswegs an der Ballettschule der Hofoper, wie sehr oft behauptet wird, sondern in der seit 1901 bestehenden Privatschule von Carl Raimund in Wien-Margareten. Raimund genießt als Erster Solotänzer der k. k. Hofoper in Wien einen besonderen Ruf, seine Schule bezeichnete er als „Institut für höhere Tanzkunst, ästhetische Körperbildung und Mimik“. Die Fächer, die unterrichtet werden, sind Ballett, National- und Charaktertänze sowie „Fantasietänze“. Raimund sah sich als Schöpfer einer „Wiener Schule“, die die französische Schule, in der er durch Carl Telle und Alfred Caron erzogen wurde, und die italienische Richtung, die ihm durch Luigi Mazzantini vermittelt wurde, vereinigte. Raschs um zwölf Jahre jüngerer Halbbruder Frederick (Ferdinand) G. Schlesinger fungiert später in den USA als ihr Schatzmeister.
Schon jetzt, gegen Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts, beginnt der wirklich märchenhafte Teil der Karriere. Rasch selbst mochte diese Fügung umso mehr erhofft haben, da ihr, als nicht an der Schule der Hofoper ausgebildete Tänzerin, eine Aufnahme in das Ballettensemble der Oper verwehrt war. Der weitere Weg war bald vorgezeichnet. Ein Gast aus Amerika hatte ihn ermöglicht: 1909 entdeckt der zwecks Talentsuche von New York nach Europa gekommene Regisseur und Produzent Robert H. Burnside in Wien die damals achtzehnjährige Raimund-Schülerin und verpflichtet sie als Première danseuse an das New Yorker Hippodrome. Das 5200 Zuschauer fassende Varietétheater an der Sixth Avenue bezeichnete sich stolz als „The Largest Theatre in the World“. Ihr Debüt gab Rasch im September 1909 in „Ballet of Jewels“ von Vincenzo Romeo, das ein Jahr lang en suite lief (447 Vorstellungen), anschließend trat sie bis März 1911 in 333 Vorstellungen von Romeos „Ballet of Niagara“ auf (Komponist beider Werke war Manuel Klein).
In den Jahren darauf folgen weitere Engagements in vergleichbaren Häusern: 1911–13 tanzt sie im Winter Garden Theatre, wo sie auch auf Stars der Szene wie Gaby Deslys trifft, die vor ihrem New Yorker Gastspiel schon „tout Vienne“ ins Apollo-Theater gezogen hatte. Weitere Häuser, in denen Rasch auftritt, sind das Union Square Theatre und Proctor’s Fifth Avenue Theatre. Die Erfahrungen, die Rasch gerade in diesen Theatern macht, insbesondere was den Geschmack eines spezifisch amerikanischen Publikums ausmacht, sollten später für ihre Werkkonzeptionen und Vermarktungsstrategien von besonderer Wichtigkeit sein. (Wiener Tänzerinnen waren in dieser Zeit in New York keine Seltenheit: So tanzten etwa 1904 Bianca Fröhlich die Swanilda und Thekla Braun en travestie den Franz in „Coppélia“ an der Metropolitan Opera, und im April 1912 gab Grete Wiesenthal ihr Debüt im Winter Garden Theatre!)
Schnell kommt es zu einem weiteren Karrieresprung der Rasch: Vom weltberühmten Impresario Otto H. Kahn wird sie in der Saison 1913/14 als Première danseuse an das Century Opera House in New York, das heißt also an eine mit europäischen Häusern vergleichbare Oper engagiert; Ballettmeister ist Luigi Albertieri, ein Protegé von Enrico Cecchetti. Damit hat Rasch im Ranking der von einem Opernhaus für Tänzerinnen zu vergebenden Positionen die höchste Stufe erreicht. Ihre Tätigkeit wird – so bezeugt dies eine ausführliche Besprechung – nicht nur überaus wohlwollend, sondern auch fachkundig begleitet. „Music“ schreibt zunächst ganz allgemein zu der Stellung einer Ersten Tänzerin: „In the plethora of praise which surrounds successful opera stars in this country the ballet is frequently relegated to a minor position. In Europe, where the appreciation of dancing is more general than in America, the prima ballerina is often the most important personage of the opera.“ Der Bericht geht dann auf Rasch ein: „All this season the duties falling to this difficult position at the Century Opera House have been not only capable but most artistically performed by Mme. Albertina Rasch.“ Schließlich kommt es noch zu einer überaus aufschlussreichen Aussage: „And just because she is not recently from abroad, her work has been taken more for granted than many upon whom the vocal burdens have fallen. Mme. Rasch studied abroad and perfected her art there, but most of her later experience has been obtained in this country. Her dark beauty and her grace and a magnetism which is rare in pantomime have played a conspicuous part in the operas in which she has appeared.“
Und es gelingt ihr, auch diese hohe Stufe zu halten. Emile Frances Bauer bemerkt dazu in der „Evening Mail“: „Whenever the ballet appears with a special feature by Albertina Rasch it serves to show that there is no better ballet organization here, and certainly no better premiere danseuse in New York.“ 1914 wechselt sie als Première danseuse an die Chicago Opera, 1916 ist sie nicht nur Première danseuse, sondern bereits auch Ballettmeisterin an der American Opera Company in Los Angeles, 1916–18 nimmt sie dieselben Positionen an der Ellis Opera Company in Boston ein. Aber Albertina Rasch ist in Amerika nicht nur geografisch allgegenwärtig, sie scheint auch an der Seite weltberühmter Namen auf: So geht sie 1916/17 mit Sarah Bernhardt auf Kuba-Tournee. Das „Diario de la Marina“, Havanna, schreibt dazu: „Madame Sarah Bernhardt rendered ,Camilleʻ in a wondrous manner. Albertina Rasch, co-starring with the ,Divineʻ, proved equally great in her art.“
Daneben erkennt die Wienerin, dass die Arbeit beim Film für sie ein zukunftsreiches Betätigungsfeld sein könnte. 1916 tritt sie erstmals als Tänzerin in einem Kurzfilm der Selig-Filmgesellschaft in Erscheinung. Für ihre während mehrerer Jahre unternommenen ausgedehnten Vaudeville-Tourneen auf den prominentesten Circuits (von Martin Beck und Keith-Albee) zieht sie ein sie umrahmendes Ensemble hinzu, aus dem der ehemalige Ballets-Russes-Tänzer Konstantin Kobeleff hervorsticht. Die St. Louis „Republic“ schreibt anlässlich eines ihrer Gastspiele: „Albertina Rasch ist the greatest dancer ever witnessed on the Orpheum stage, and, if Mme. Genée or the graceful Pavlova have anything in addition to Albertina, they have concealed it carefully while performing in our city.“ Die Ballerina wusste sich auch selbst einzuschätzen. Einen Reporter warnte sie einmal: „Will you please say that I am not the 2nd Pavlova, or the 3rd Genée, or the 4th Karsavina, or the 57th variety of anybody else? I am simply Albertina Rasch, 1st and last.“
Zurück oder nur vorübergehend in die alte Heimat?
War Albertina Raschs Besuch in Wien 1920 nur familiärer Natur oder wollte sie sich mit dem nunmehrigen tanzkünstlerischen Klima ihrer Heimatstadt vertraut machen und es in ihre Gastspiele, die sie in die Metropolen Paris, London und Berlin führten, gleichsam einbauen? Schnell hatte sie sich offenbar zu Letzterem entschlossen. Die Wertschätzung, die ihr in den USA zuteil geworden ist, wird nunmehr durch Pariser Kritiken getoppt. Der ausgezeichnete Kenner der Szene, Fernand Divoire, charakterisiert Rasch anlässlich eines Tanzabends. Sie sei von all den in Paris gastierenden Tänzerinnen herausragend gewesen. Sie, die dunkle Schönheit, zeige eine „grace infinie“. Zugleich ausdrucksvoll, mädchenhaft und geschmeidig, erstrahle ihre Persönlichkeit mit einem feinen Lächeln.
Als sie 1921 abermals nach Wien kam, bot sie ein dichtes Tanzprogramm an. Dieses ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Zum einen versteht sie es, sich nicht nur an den hiesigen Geschmack (wieder) anzupassen, sondern auch die mittlerweile blühende Wiener Tanzmoderne mitzutragen. Ihr Angebot weiß sie – und das ist für Wien neu – mit neuen Mitteln zu propagieren. Das bekannte Wiener Journal „Der Tanz“ gibt im April 1921 eine eigene internationale Rasch-Sondernummer heraus, die über Seiten hinweg und dreisprachig Rasch-Kritiken abdruckt. Ihre Abende erregen des Weiteren Aufsehen, da sie meist wohltätigen Zwecken gewidmet sind, so etwa zugunsten der Rettungsgesellschaft, der notleidenden Kleinrentner, des Bundesministeriums für soziale Fürsorge und der Akademie für Musik und darstellende Kunst. Auch in Wien wendet sie sich dem neuen Medium Film zu, spielt die Hauptrolle in „Zigeunerliebe“ (Sascha-Film, 1922) und gründet eine eigene Filmfirma (Rasch-Film), für die der Film „Frauenopfer“ (aka „Dolores“, 1923) entsteht.
Raschs Hauptaugenmerk liegt aber doch auf den nicht weniger als acht Tanzabenden, die sie in rascher Folge im Konzerthaus und Akademietheater nun mit ihrem Lehrer Carl Raimund als Partner tanzt. Aber auch andere Wiener Tänzerinnen zieht sie hinzu: Elsa Strohlendorf und Maria Ley sowie als weitere Partner Carl Godlewski und Leo Dubois, dazu das Zina-Luca-Ensemble. Das Angebot, das Rasch tanzt, ist facettenreich und stilistisch vielschichtig. Es reicht vom klassischen Tanz – darunter auch Nummern aus Tschaikowskis „Der Nussknacker“ (z. B. „Fée Dragée“) über nationale Tänze bis zu Grotesknummern. Durchaus auf Wirkung bedacht, tanzte sie auch zu den ihr gewidmeten Kompositionen „L’Américaine“ von Otto Schulhof und „The Unsurpassable“ von Richard Grünfeld. Ein Tanzabend im Grazer Opernhaus 1921 wird angekündigt als: „Einziger Tanzabend der Primaballerina Albertina Rasch in Tänzen zu Tonstücken von Bizet, Delibes, Tschaikowski, Chopin u. a., die ihr Weltberühmtheit verschafft haben.“
Eine Wienerin am Broadway
Im Vergleich mit den nächsten Höhen, die die Choreografin ab 1925 in den USA erklimmt, erscheinen all die bisherigen so erfolgreichen Karrierestufen der Albertina Rasch als niedrig. Sie erweisen sich aber als wichtige Schritte des Lernens, das Erfahrene kann sich nun am Broadway groß entfalten. Mit dem Hintergrund ihrer Schule, in der auch Kobeleff Ballett und Bill „Bojangles“ Robinson Stepptanz unterrichten, formt sie nach ihrem Gutdünken Tänzerinnen und bespielt mit eigenen Ensembles in den folgenden Jahren die Theater des Broadway. Es entstehen sowohl kleinere „dance acts“ als auch größere „musical shows“. Schon 1925 gelingt ein veritabler Coup. Rasch bringt im Hippodrome die erste Choreografie zu Gershwins im Jahr davor uraufgeführter „Rhapsody in Blue“ heraus. Am Klavier ist Dimitri Tiomkin. Er charakterisiert die für ihn neue Musik und beschreibt die Schwierigkeiten, die er mit seiner klassischen Schulung beim Spielen gehabt habe. Es sei unendlich schwierig gewesen, „to get off the beat so outrageously“. Oftmalige schriftliche Äußerungen von Rasch selbst, aber auch Kritikerstimmen, bezeugen, dass die Choreografin gerade in dieser Hinsicht schon weiter war, Offbeat-Bewegungen flossen schon sehr früh in ihre Arbeit ein. Den Unterschieden zum Trotz verlief die Zusammenarbeit mit Tiomkin doch eher harmonisch, denn Rasch und Tiomkin sind seit 1927 glücklich verheiratet. (Ihr erster Ehemann war der New Yorker Hotelier August Anton Schneider.)
Mit einem weiteren 1925 erfolgten „dance act“ in der Revue „George White’s Scandals“ (7th Edition) gelingt der endgültige Durchbruch am Broadway. In der Folge wird Rasch dazu auserkoren, Teil jenes Teams zu sein, das den 1927 von dem Wiener Joseph Urban erbauten Art-déco-Theaterpalast, das Ziegfeld Theatre, eröffnet. Das von Florenz Ziegfeld Jr. produzierte Musical „Rio Rita“ wird ein Hit, ebenso die Revue „Ziegfeld Follies of 1927“. Ein Jahr später arbeitet sie in Rudolf Frimls Musical „The Three Musketeers“ erstmals mit der Ziegfeld-Startänzerin Harriet Hoctor zusammen. Schon 1929 bringt die nächste Steigerungsstufe der Karriere: Hoctor tanzt in Raschs Choreografie zu „An American in Paris“, das auf Anregung der Wienerin in Gershwins Musical „Show Girl“ (ein Vehikel für Ruby Keeler) integriert wurde. (Der Komponist hielt sich 1928 gemeinsam mit Rasch und Tiomkin eine Zeit lang in Paris auf; dort begann er an seiner Tondichtung „An American in Paris“ zu arbeiten, Tiomkin spielte an der Opéra in der Europäischen Erstaufführung von Gershwins „Concerto in F“ den Klavierpart, Rasch war mit ihrer Kompanie an das Moulin Rouge verpflichtet.)
Nun, am Broadway, hat Rasch zu ihrem eigenen Stil, einer Verbindung dreier Tanztechniken und Stile gefunden: der Ballettklassik, der Tanzmoderne und dem Jazz Dance. 1930 kommt die nächste Herausforderung: In „Three’s a Crowd“ arbeitet sie mit Tamara Geva, der ersten Frau von George Balanchine. Der von Rasch choreografierte Tanz „Talkative Toes“ enthält eine kleine getanzte Erzählung: „(The) dancer (is) explaining what her feet said when she danced.“ Im Zusammenhang damit sei daran erinnert, dass Balanchine in diesen Jahren auch für den Broadway arbeitete. Sein 1936 für Geva entstandenes Ballett „Slaughter on Tenth Avenue“ (der Schlussteil des Musicals „On Your Toes“) nahm er schließlich 1968 in das Repertoire des New York City Ballet auf.
Vielschichtigkeit bestimmte die in dichter Folge zur Aufführung kommenden weiteren Arbeiten der Rasch. Zunächst, 1931, grüßen Wiener: Karl Farkas hat mit Géza Herczeg und Robert Katscher das Stück „Wunder-Bar“ entwickelt, das 1930 in den Kammerspielen in Wien uraufgeführt wurde. Am Broadway heißt die Produktion mit Al Jolson nun „The Wonder Bar“. Noch im selben Jahr kommt es mit „The Band Wagon“ zu einem Höhepunkt nicht nur in Raschs Karriere, sondern in der Geschichte des Broadway an sich. Die Stars dieser gefeierten Revue sind Fred und Adele Astaire sowie die Wienerin Tilly Losch. Raschs „The Beggar Waltz“ – eine im Ambiente der Wiener Hofoper spielende Tanzszene – wird von Losch und Fred Astaire ausgeführt; im spektakulären „Dancing in the Dark“ tanzt Losch auf Spiegeln auf doppelter Drehbühne bei stets wechselnder Beleuchtung.
In rascher Folge entstehen daraufhin die Revue „Ziegfeld Follies“ (1931) und das Musical „The Cat and the Fiddle“ (Musik: Jerome Kern). Auch hier gelingt Rasch die Konzeption einer Tanzszene, die sich als überaus nachhaltig erweisen sollte: die Einführung eines Dream Ballet, ein dramaturgischer Baustein, den Tanzschaffende wiederholt in ihre Musical-Choreografien aufnehmen werden. Noch 1931 kommt in London mit „Waltzes from Vienna“ (ein Strauß-Thema) ein „Smash Hit“ auf die Bühne. Der Tanzstar ist die Ballets-Russes-Ballerina Alexandra Danilova, die Choreografin und der Star können ihren Triumph in New York wiederholen, wo das Stück 1934 als „The Great Waltz“ zur Aufführung gelangt. In London kommt es 1932 einmal mehr zu einer Zusammenarbeit mit Künstlern aus ihrer Heimat. Im Theatre Royal Drury Lane hat „Wild Violets“ die Londoner Erstaufführung. Dabei handelt es sich um Robert Stolz᾽ Operette „Wenn die kleinen Veilchen blühen“. Wiederum gelingt Rasch Außergewöhnliches, denn der Tanz der Pensionatsmädels ist geprägt vom mitteleuropäischen Modernen Tanz, wie ihn Rasch zu Beginn der Zwanzigerjahre in Wien, aber auch in Dresden an der Schule Hellerau und bei Mary Wigman kennengelernt hat. In dem 1932 herausgekommenen Musical „Face the Music“ (Musik: Irving Berlin) gelingt das Besondere: Sie selbst parodiert den eigenen, bereits zu einer Marke avancierten Stil. 1935 ist das Musical „Jubilee“ (Musik: Cole Porter, darin das später weltbekannte „Begin the Beguine“) Raschs vorläufig letzte Broadway-Arbeit. Diese – vorübergehende – Broadway-Abstinenz geschieht nicht etwa, weil die Choreografin nicht mehr gefragt gewesen wäre, sondern ist einem Exklusivvertrag mit Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) geschuldet. Begleitet vom Applaus von Produzenten, Publikum, aber auch von der Kritik geht Rasch endgültig nach Hollywood, wo sie bereits seit 1929 ein zweites Standbein hatte.
In welchem Ausmaß Raschs Arbeit geschätzt wird, stellt John Martin, der Tanzkritiker der „New York Times“, unter Beweis. Anlässlich einer Produktion 1931 widmete er seine Betrachtung nicht nur der besonderen Aufführung, sondern dem Schaffen von Rasch an sich. Diese Kritik bezeugt einmal mehr Martins überragende Kenntnis der internationalen zeitgenössischen Tanzszene. Er vergleicht Rasch mit Wigman und Harald Kreutzberg, die in diesen Jahren mit größtem Erfolg in den USA gastieren, und stellt fest, die Choreografin sei „innovative and outstanding in her output season after season“. Dies träfe nicht nur zu in New York, sondern auch – ein Ort, an dem sie damals schon arbeitet – in der Hollywood Bowl. „She has managed to raise extraordinarily the standard of the productions“, wobei es ihr gelungen sei, Stil und Seriosität auf die Bühne des Entertainment zu bringen. Sie habe, so Martin, das Schritt- und Bewegungsvokabular für die „musical stage“ erweitert, wobei manche ihrer Charaktertänze so exzellent seien, dass sie sofort auf einer Opernbühne gegeben werden könnten. Das Besondere etwa an einem spanischen Tanz liege weniger in einem übertriebenen Zelebrieren des Spanischen, sondern in einem größeren Akzent auf dem Ballett, mit einer – vom Publikum immer geforderten – erotischen Note. Ebenfalls neu sei der auf Spitze ausgeführte „precision dance“, wobei, so Martin, ein trostloses Gestochere in den Boden vermieden werde. Rasch gehe es um eine „illusion of suspension“, die dadurch erzielt wird, dass die Mädchen auch in langen Kleidern auf der Spitze tanzen. Dieses so entstandene schwebende Gleiten sei ein ganz besonderer Effekt. All dies sei, so Martin, von der ineinanderfließenden Zusammenarbeit zwischen Rasch und Tiomkin gekennzeichnet gewesen.
Hollywood!
„First a school“ lautet auch in Hollywood das Motto für die Arbeit der Albertina Rasch. An ihrer Seite ist wieder Tiomkin, der nun als Filmkomponist Karriere macht. Vier Oscars (zwei davon für „High Noon“) legen dafür Zeugnis ab. Rasch wird Dance director für MGM, vereinzelt ist sie auch für andere Filmgesellschaften tätig. Laut Auflistung von Rudolf Ulrich in „Österreicher in Hollywood“ (Filmarchiv Austria 2004) ist Rasch 1929–40 an 47 Filmen beteiligt. 1929 entsteht „Broadway Melody“, ein Film, der am Beginn der Ära der MGM-Filmmusicals steht, noch im selben Jahr folgt „The Hollywood Revue of 1929“. Außergewöhnlich daran sind die im Zwei-Farben-Technicolor-Verfahren gedrehten Tanzszenen und deren Overhead-Aufnahmen, die somit vor jenen von Busby Berkeley bei Warner Bros. entstanden. Von besonderer Bedeutung ist auch Raschs sogenanntes „Swan Ballet“, das Teil des Films „The Rogue Song“ (1930) ist. Es handelt sich dabei um eine „Schwanensee“-Paraphrase zu Musik von Tiomkin. (Dies ist insofern bemerkenswert, als „Schwanensee“ zu diesem Zeitpunkt in den USA noch so gut wie unbekannt war, davor gab es Berührungen mit diesem Werk nur durch das Gastspiel von Michail Mordkins All Star Imperial Russian Ballet 1911 an der Metropolitan Opera und eine Tournee von Mordkins Russian Ballet 1926/27.) Und auch in der 1931 nach einem Buch von Paul Morgan speziell für den deutschsprachigen Markt gedrehten „heiteren Tonfilmreportage“ „Wir schalten um auf Hollywood“ sind inmitten einer Hollywood-Starparade die Albertina Rasch Dancers zu sehen (die österreichische Erstaufführung fand im Apollo-Kino statt; in der Bühnenschau als Vorprogamm: Sascha Leontjew in seinen neuen Tanzschöpfungen).
Motivisch gesehen, lässt sich Raschs Filmarbeit der Dreißigerjahre in drei Bereiche teilen. Der erste ist der gefilmten Revue, der zweite Operetten- und Musicaladaptionen gewidmet, der dritte schließlich gilt historischen Themen. Zu den bekanntesten Revuefilmen zählen: „The Broadway Melody of 1936“, darin das Ballett „Lucky Star“, und „The Broadway Melody of 1940“. Zu den verfilmten Operetten und Musicals gehören „The King Steps Out“ (1936) nach Fritz Kreislers „Sissy“; „The Firefly“ (1937) nach der Operette von Friml; „Rosalie“ (1937) mit neuer Musik von Porter; „Sweethearts“ (1938) nach der Operette von Victor Herbert; sowie die Original-Filmoperette „The Girl of the Golden West“ (1938) von Sigmund Romberg. Höhepunkt dieses Genres ist der schon 1934 entstandene Film „The Merry Widow“ nach Franz Lehárs Welterfolg in der Regie von Ernst Lubitsch, dessen von Rasch choreografierte, von 180 Tänzerinnen und Tänzern ausgeführte Walzerszene von Historikern „zu den extravagantesten und bemerkenswertesten Tanzszenen der Filmgeschichte“ gehört. Der 1938 entstandene Film „Marie Antoinette“ mit Norma Shearer in der Titelrolle ist dem historischen Bereich zuzuordnen. Und zu einer choreografischen Wien-Apotheose geriet Raschs Beitrag zu der Johann-Strauß-Filmbiografie „The Great Waltz“. Die Uraufführung erfolgte im November 1938, acht Monate nach dem „Anschluss“. Immigranten wie Gottfried Reinhardt (Story), Walter Reisch (Drehbuch) und die zweifache Oscar-Preisträgerin Luise Rainer in der Rolle von Strauß᾽ Ehefrau gaben dem Film die gewünschte „wienerische“ Note.
Erheblichen Anteil an den nachhaltigen Erfolgen dieser Filme haben die eingesetzten Stars, mit denen Rasch kongenial zusammenarbeitet. Dazu gehören das „Hollywood-Traumpaar“ dieser Jahre Jeanette MacDonald und Nelson Eddy und die Tänzerin Eleanor Powell. Protagonisten in „The Merry Widow“ sind MacDonald und Maurice Chevalier. Viele von Raschs Tanznummern finden schließlich Aufnahme in die MGM-Zusammenfassungen „That’s Entertainment“ (1974) und „That’s Entertainment – Part II“ (1976). Mit der Projektion der berühmten Walzerszene aus „The Merry Widow“ hält Rasch 1999 posthum in einer Matinee von Marcel Prawy zu „Die lustige Witwe“ Einzug in die Wiener Staatsoper.
„The Quest for an American ballet“
Den schier unglaublichen Erfolgen zum Trotz hat Albertina Rasch letztlich aber doch andere Ziele, auf die sie neben Broadway- und Hollywood-Arbeit konsequent hinarbeitet: Ihr Traum ist es, ein amerikanisches Ballett zu etablieren! Dies scheint umso dringlicher, da die diesbezügliche Szene der Zwanziger- und Dreißigerjahre noch ausschließlich von gastierenden oder immigrierten Europäern, Italienern und vor allem Russen, bestimmt wird. Die Kunst dieser werde jedoch, so Rasch, Amerika aufgezwungen und gehe nicht auf Geschmack und Traditionen des Landes ein. Das amerikanische Ballett könne nur eine Quelle haben: „the popular theatre, the theatre of the vaudeville and revue“. Rasch schreibt dies gleichsam am Vorabend eines als „concert evening“ bezeichneten Ballettabends, den sie im New Yorker Lewisohn Stadium im August 1932 gibt. Sie hat den Abend zusammen mit Tiomkin konzipiert, Hugo Riesenfeld dirigiert (der gebürtige Wiener hatte 1905 für Josef Hassreiter „Chopins Tänze“ für die Wiener Hofoper zusammengestellt), das Tanzensemble zählt 75 Mitglieder. Der Abend ist zweimal angesetzt, des großen Erfolges wegen gibt es eine Zusatzvorstellung, Zehntausende Zuschauer werden Zeugen der bahnbrechenden Darbietungen. (Das Programmheft enthält überraschenderweise einen Artikel von Wigman.) Eine Wiederholung des Abends findet im Jahr darauf in einem noch größeren Ambiente statt, in der über 18000 Zuschauer fassenden Hollywood Bowl.
Die gezeigten Tänze verschiedener Länge und Färbung sind handlungslos, sie haben den Akzent wohl vor allem in einem Ineinandergreifen von Tanz und Musik. Neben Kompositionen von Tiomkin erklingt auch Musik von Mozart und Prokofjew. Die Rezensionen enthalten keine Aussagen über Wesen und Eigenart des Bewegungsmaterials und der Choreografie, es ist jedoch davon auszugehen, dass Raschs Basis dafür jene Reihe „Ballet Lesson with Albertina Rasch“ ist, die 1930 wöchentlich im „New York Evening Journal“ erschienen war. Rasch führt hier weiter, was sie vor nunmehr etwa dreißig Jahren bei Raimund in Wien gelernt hat: eine Verquickung von französischer und italienischer Schule, die nun sowohl an der Stange wie auch in der Mitte spezielle „touches“ erhält. Vorbilder dafür seien, so Rasch, „the architecture of today“, „form“ per se sowie „sharply defined rhythms“. Das Exercice scheint – und dies war wohl ein Kennzeichen von Raschs choreografischer Sprache – von „continuos movement“ insbesondere der Beine getragen worden zu sein, das mit „upper torso swings“ kontrastiert wird, wobei der Oberkörper immer wieder in spektakulären Rückwärtsbiegungen gehalten wird. Dazu kommen neuartige Schrittfolgen und im Allegro außergewöhnliche Armpositionen, die eine neue Linie ergeben. Beugungen der Knie, überraschende Pliés gehen ebenfalls von der gewohnten Ordnung ab. Rasch spricht von „aerial rhythm“ und postuliert: „Rhythmic design in dance is what symmetry is in architecture. The perpendicular symmetry of the skyscraper is a ‚frozenʻ prologue to the perpendicular rhythm of the dance“. Manche Übungen bekamen durch Abweichungen von der klassischen Ordnung dramatische Akzente.
Rasch hatte diese ihre Eigenart bereits 1926/27 auf einer Coast to Coast Tour mit ihrer – völlig zu Recht – „First American Ballet“ benannten Kompanie erprobt. 1930 war mit einem „concert evening“ der erste Auftritt in der Hollywood Bowl erfolgt. Damals kam Tiomkins „Choreographic Suite“ zur Aufführung, sie war gedacht, eine „sequence of moods“ hervorzurufen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Tiomkin mit seinen Kompositionen für Rasch jenes Handwerk erlernt hat, das er später als Komponist von Filmmusik meisterlich und mit größtem Erfolg betreibt. (Eine Aufnahme von Tiomkins „Ballet Music For Albertina Rasch“ wurde 2019 von Intrada ediert; gespielt vom Slovak National Symphony Orchestra unter der Leitung von William Stromberg sind unter anderem zu hören: „Choreographic Suite“, „Fiesta Suite“, „Paris Under the Stars“, „Vaudeville Dances“.)
In seiner ausgezeichneten und ausführlichen Betrachtung über Albertina Rasch (erschienen in „Dance Chronicle“ 1983–84) resümiert Frank W. D. Ries, Raschs Bemühungen haben zwar keine nachweisbaren Resultate erzielt – wohl auch deswegen, weil sich Rasch nach 1945 krankheitsbedingt nach und nach zurückziehen musste –, sie haben aber den nur wenig später einsetzenden Aktivitäten um ein amerikanisches Ballett den Weg geebnet: der 1934 von Lincoln Kirstein und George Balanchine eröffneten „School of American Ballet“.
1941 trumpft Rasch erneut am Broadway auf. Zur Aufführung kam das bereits eingangs besprochene Musical „Lady in the Dark“. In der Hauptrolle war die berühmte Gertrude Lawrence zu sehen. In den 777 Vorstellungen der Originalproduktion traten neben Raschs eigenen Tänzerinnen auch Mitglieder der Kompanien von Doris Humphrey/Charles Weidman, Ted Shawn und Martha Graham auf. (40 Jahre später verkörperte Nadja Tiller die Titelrolle in der österreichischen Erstaufführung am Raimundtheater, mit der Choreografie war damals Roberto Trinchero betraut. In der aktuellen Produktion in der Volksoper Wien fungiert Florian Hurler als Choreograf, Protagonistin ist Julia Koci.) Für Rasch begann 1941 auch eine Verbindung zum weltgrößten Circusunternehmen Ringling Bros. and Barnum & Bailey, für das sie bis 1947 „Fantasies“ schuf.
1945 kam es zu Raschs letzter Arbeit für die Bühne: In New York hatte Emmerich Kálmáns „Marinka“, „A Romantic Musical“, Premiere. Die Mayerling-Operette, deren Buch von Karl Farkas und George Marion Jr. stammt, endet mit einem Happy End! Kronprinz Rudolf wird wegen nicht standesgemäßer Beziehung in die Verbannung geschickt und bricht mit Mary Vetsera (Marinka) auf einem Heuwagen in die Neue Welt auf … Rasch mochte die Beschäftigung mit Mitgliedern der Familie Habsburg umso näher gelegen haben, als sich hartnäckig Gerüchte hielten, sie habe 1914 anlässlich eines Wien-Besuchs „auf allerhöchsten Wunsch“ eine Furlana vor Kaiser Franz Joseph getanzt.
Albertina Rasch, über die Agnes de Mille schrieb, „she had the choice of every show offered“, wurde oft als „Czarina of Broadway“ bezeichnet (1931 etwa liefen am Broadway gleichzeitig sechs Produktionen, an denen sie beteiligt war, dazu kamen in diesem Jahr sieben Hollywood-Filme und eine Arbeit für das Londoner West End). Sie starb am 2. Oktober 1967 in Woodland Hills, Kalifornien.
PS
Einen Nachhall auf Raschs Wiener Auftreten stellt die 1924 in Maria Leys Buch „Das tanzende Ich“ erschienene Reverenz vor der Besucherin aus Amerika dar. Ungewöhnlich für eine darstellende Künstlerin, verbeugt sich Ley darin vor Kolleginnen. Die Huldigung für Rasch – außer ihr waren Mary Wigman, Grete Wiesenthal, Elsie Altmann, Ellinor Tordis, Mila Cirul und das Ellen-Tels-Ballett die solcherart Ausgezeichneten – liest sich wie folgt:
Albertina Rasch. Vogel Phönix. Verblüffend in seinem Reichtum und seiner fremden Schönheit, kaum vorübergezogen, nur mehr glänzende Erinnerung – wir bitten Dich, komm zu uns, damit Du den Alltag einbettest in Helle. Manchmal ist mir, als hörte ich im Fluge Dein Herz schlagen, – – – wie die ferne Glocke eines Dorfes, deren Klang Dich an nichts mehr erinnert. Wie bist Du stolz geworden seit dieser Zeit. Strahlende, Vogel Phönix, ich will Dich bewundern, wenn ich auch Deine Stimme nicht höre.“
Diese „Wiener Tanzgeschichte“ ist Dr. George Jackson gewidmet, der am 10. Dezember seinen 90. Geburtstag feiert. 1931 in Wien geboren – das Jahr, in dem Albertina Rasch mit „The Band Wagon“ ihren größten Broadway-Erfolg landete –, emigrierte er in jugendlichem Alter mit seinen Eltern in die USA, wo er zu einem der führenden Tanzkritiker – besser gesagt: Tanzschriftsteller – des Landes aufstieg.