Arabesque, Croisé, Plié et Relevé. Im großen Ballettsaal der Wiener Staatsoper steht Robert Machherndl hochaufragend auf dem Podest, blickt mit aufmerksamen Augen auf die kleine Gruppe unter ihm und kontrolliert wie die acht jungen Tänzer und Tänzerinnen ihre Körper nach den Regeln des klassischen Balletts biegen und beugen.Die Jugendkompanie der Wiener Staatsoper probt für die Uraufführung von "Hanna" bei der Weihnachts-Matinée.
Auch wenn es so aussieht, Diktator ist der Tänzer und Choreograf keiner, er will „nur einen besseren Überblick haben.“ Schließlich ist es seine erste Arbeit mit der Jugendkompagnie, doch sein zufriedenes Lächeln zeigt, dass ihm das, was er sieht, zur Freude gereicht. „Ich habe mir eigens fünf Wochen Training ausbedungen, denn ich will ja mehr, als das Übliche. Aber ich sehe schon, es wird.“
Robert Sher-Machherndl, geborener Österreicher, zog nach seiner Karriere als Solist in Amsterdam und München in die USA; gründete seine eigenen Compagnie, „Lemon Sponge Cake“, etablierte sich auch als freier Choreograf und Lehrer. Immer wieder zieht es ihn nach Europa und so ist er Anfang Dezember in Wien gelandet, um mit der Jugendkompanie eine Uraufführung für die Weihnachts-Matinee einzustudieren, bei der auch SchülerInnen der Ballettakademie und der Opernschule mitwirken.
Startrampe in die weite Ballettwelt. Vier junge Damen und ein Quartett junger Herren zwischen 18 und 22 Jahren, wagen nach dem fertigen Studium an der Ballettakademie und der Matura in der „Jugendkompanie der Ballettakademie der Wiener Staatsoper“ ihre ersten professionellen Schritte auf der großen Bühne. Die ehemalige Staatsoperntänzerin Krista Kurig hatte die Idee, den AbsolventInnen den Start auf die Bretter, die für sie die Welt bedeuten, zu erleichtern. Die Umstrukturierung der Ballettschule der Wiener Staatsoper zur Ballettakademie machte es möglich. Akademiedirektorin Simona Noja war sofort einverstanden und vertraute Kurig auch die Betreuung der geschlüpften Küken samt der Organisation dieses Start-Ensembles an. „Wir wollen eine Vernetzung mit anderen Jugendkompanien, etwa den Hamburgern oder der Junior Company München, vermitteln Auftritte, solistisch und als Gruppe, im In- und Ausland und animieren die jungen TänzerInnen an Wettbewerben teilzunehmen. Wichtig ist, dass sich die jungen Tänzerinnen mit anderen messen können.“
Für die Weiterbildung sorgen unterschiedlicher Pädagoginnen und Trainerinnen, für die Erweiterung des Repertoires, dessen Basis die Choreografien der Ballettakademie bilden, eingeladene ChoreografInnen. Lernen müssen die angehenden auch die Vorbereitung auf ein Vortanzen, das Schreiben von Bewerbungsbriefen und die Herstellung sämtlicher Unterlagen „Bisher haben sie vor allem getanzt und waren in der Schule gut aufgehoben, jetzt müssen sie sich draußen bewähren.“ Damit der Wind aus der großen, weiten Tanzwelt nicht sofort so eisig weht, bietet sich die Jugendkompanie als betreute Flugrampe an. Zwei Jahre haben die angehenden Ballerinen und Ballerinos Zeit, in der Ballettwelt Fuß zu fassen, dann müssen sie das Nest der Jugendkompanie verlassen. An Nachwuchs wird es aber nicht mangeln.
Hanna tanzt nicht. Noch aber trainiert das Oktett mit glänzenden Augen und Schweiß auf der Stirn für die Uraufführung von „Hanna“ zur explosiven elektroakkustischen Musik des Osttiroler Komponisten Wolfgang Mitterer. Sher-Machherndl liebt es, seinen Balletten Frauennamen zu geben, auch wenn keine Geschichte erzählt wird. Begonnen hat er das Training mit Bewegungsübungen, Lockerungen und der Vermittlung seiner speziellen Tanzsprache. „Die beruht zwar auf der klassischen Ausbildung, aber ich gehe darüber hinaus. Wichtig ist mir, dass alles beweglich und locker ist. Vor allem Brustkorb und Hals müssen biegsam sein.“ Aus dieser Biegsamkeit und weit schwingenden Armbewegungen entsteht ein expressives Vokabular, das durch die Mimik an Ausdruckskraft gewinnt. Zu Beginn der Proben waren die Acht ängstlich und stumm, doch Sher-Machherndl hielt sich mit Erklärungen zurück, animierte seine Truppe zum Fragen und Denken. „Jetzt haben sie Vertrauen gewonnen und keine Scheu mehr zu fragen und zu diskutieren. Ich will die Identität der Tänzer sehen, sie sollen authentisch sein, Künstliches, Manieriertes mag ich nicht.“
Soll Sher-Machherndl seine Arbeitsweise beschreiben, so distanziert er sich gern vom romantischen Künstlerbild: „Ich bin ein Arbeiter, dessen Arbeit das Choreografieren ist. Ein Tischler kann Möbel bauen, ein Architekt Häuser, ich kann Ballette bauen und das mache ich so gut wie möglich.“ „Ein Choreograf, den es zu beachten gilt“, schrieb die Tanzkritikerin der New York Times über Robert Sher-Machherndl.
Matinee der Ballettakademie, der Jugendkompanie und der Opernschule der Wiener Staatsoper mit Ausschnitten aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium und Choreografien von Robert Sher-Machherndl (Jugendkompanie) sowie den Pädagoginnen der Ballettakademie, Bella Ratchinskaia und Margit Legler.21. Dezember 2014, Staatsoper.