Wenn im Kosmos Theater die Tanzwut ausbricht, so hat eine alte Idee einen neuen Namen bekommen. Nach dem Erfolg des tanzpool-Festivals haben Silvia Both und Andreas Payer (tanzpool) die Fortsetzung ihrer Initiative neu benannt. tanzwut ist ein Festival, das TänzerInnen, PerformerInnen und ChoreografInnen, die Möglichkeit geben soll, ihr Repertoire zu pflegen und zu zeigen.
tanzpool geht es aber nicht nur darum, die nach der Premiere oft kaum gespielten Stücke aufs Podium zu holen, an den drei letzten Festival-Abenden, dürfen sich junge KünstlerInnen mit ersten Stücken, Werkausschnitten und Versuchen vorstellen. Kurator gibt es für die Serie „freeride“ keinen, wer zuerst kommt, tanzt zuerst, falls das Stück nicht länger als 30 Minuten dauert. So ist es möglich einen Ein- und Ausblick auf das breite Spektrum tänzerischen und performativen Schaffens von mehr als 30 TänzerInnen und ChoreografInnen zu erhalten.
Aus Erfahrung weiß Payer, dass in das Kosmos-Theater ein „ganz anderes Publikum“ kommt, als sich im Tanzquartier oder im WuK einfindet. Die Idee zur „tanzwut“ entstand aus dem von Silvia Both als Tänzerin und Choreografin am eigenen Leib erfahrenen Defizit, dass es im Tanzbereich kaum möglich ist, Repertoire zu spielen. Nach ein, zwei Vorstellungen sind die Früchte einer intensiven Arbeit meist schnell gegessen. Wiederaufführungen sind in der Szene (und nicht nur in der heimischen, auch die belgische Choreografinnen Anne Teresa De Keersmaeker beklagt das schnelle Verschwinden ihrer Werke) nicht üblich, die Gier nach Neuem lässt auch Erfolgreiches schnell alt erscheinen. Dem wollen Both und Payer mit tanzpool und tanzwut entgegen wirken.
So wird ein Erfolgsstück von Pilottanzt & Silk (Roderich Madl und Silke Grabinger) als Eröffnung zu sehen sein, das mehrfach preisgekrönt sogar in Afrika das Publikum begeistert hat, aber in Wien nur einmal (ImPulsTanz 2008) zu sehen war. tanzwut gönnt der ehemaligen Breakerin Silke Grabinger ihre mit Roderich Madl entwickelte Performance (mit experimenteller Musik von Vladi Tchpanov, Videointerventionen und der Liveperformance der Beatboxcrew „Massive Beats“) wenigstens zwei Abende. Internationales Flair bringt der Portugiese Raul Maia mit seinem Solo „Augustus hears cars ike see waves“ in den Eröffnungsabend. Maia ist Dschungelbesucherinnen durch das Stück „Surprise“ bestens bekannt und dem tanzpool durch seine Zusammenarbeit mit Fanni Futterknecht.
Mit tanzpool versuchen Both und Payer die riesige Lücke, die in der Struktur der Wiener Tanzszene klafft, zu füllen. Das Wiener Kulturamt setzt mehr auf Projektförderung, denn auf Verbesserung der Strukturen. Der so gern verwendete Begriff der Nachhaltigkeit hat auf der Tanzbühne keinen Klang. Mit einer Vierjahresförderung werden Hoffnungen geweckt, danach ist nur noch ein schwarzes Loch. Im tanzpool werden NachwuchskünstlerInnen gefördert und von etablierten KünstlerInnen begleitet. Die jungen Artists in Residence bekommen jede mögliche Hilfe und Unterstützung: künstlerisch, bürokratisch, bei der Recherche und Aufnahme in Festivals. Bisher gab es auch ein Probenstudio. Das muss tanzpool jetzt auflösen, weil es finanziell nicht mehr zu erhalten ist und eine Förderung der erfolgreichen Tätigkeit abgelehnt worden ist. Wenn Julia Mach und Claudia Wagner, Fanni Futterknecht und Elisabeth Bakambamba Tambwe jeweils an einem Abend ihre Stücke zeigen, bekommt der Festivaltitel „tanzwut“ doch noch eine zweite Bedeutung. Doch man kann auch tanzen, damit die Wut nachlässt.
tanzwut, 9–20. November, Kosmos-Theater
Mit Pilottanzt & Silk, Julia Mach, Claudia Wagner; Fanni Futterknecht, E. Bakambamba Tambwe und den vielen FreireiterInnen am 18., 19. und 20.November. Am 15. November wird um 18 Uhr am Podium über „Richtlinien, Kriterien und Visionen der Kulturpolitik“ diskutiert. Der Eintritt ist frei.