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Emio Greco / PC setze mit zwei fulminanten Abenden einen Höhepunkt des ImPulsTanz Festivals 2011. In „Double Points: Hell“ legt Greco mit der japanischen Tänzerin Sawami Fukuoka einen verführerischen Tango aufs Parkett; die Uraufführung von „Rocco in Two“ findet im Boxring statt. Vier Tänzer sind die rivalisierenden Brüder, die einander bis zum Tod bekämpfen.

Das Duell im Boxring, „Rocco“, uraufgeführt 1998, ist von Lucchino Viscontis neoveristischem Film „Rocco und seine Brüder“ inspiriert, könnte aber genauso von einem anderen rivalisierendem Brüderpaar erzählen. Von Kain und Abel etwa, Romulus und Remus oder auch von Laurel und Hardy. Letzteren widmet sich vor allem das zweite Paar, das mit seinen Slapsticks und Lazzi den Boxring zur Zirkusarena macht. Greco und Pieter C. Scholten haben für diese Choreografie intensiv recherchiert und auch selbst Boxen trainiert. Sie fanden heraus, dass die geistige Vorbereitung von Tänzern und Boxern recht ähnlich verlaufe und auch die Virtuosität und Intelligenz des boxenden Körpers der des tanzenden gleiche. In Viscontis Film spielt Alain Delon den ältesten von fünf Brüdern aus dem Süden Italiens; Renato Salvatori ist der erfolgreiche Boxer und Rivale Roccos um die Liebe von Nadia (Annie Girardot).

Natürlich erzählen Greco /PC nicht den Film, sondern zeigen mit den vier großartigen Tänzern (Dereck Cayla, Christian Guerematchi; Victor Callens, Vincent Colomes), wie fließend die Bewegungen eines Boxers in die eines Tänzers übergehen. Wie die beiden Männer einander umschleichen und umklammern, scheint zu Beginn ein zärtlicher Tanz zu sein, doch werden die Angriffe mit jeder Runde brutaler, da helfen auch die beiden tanzenden Akrobaten nicht, die die Pausen mit Verve füllen. Am Ende ist einer der Rivalen tot. Was im Boxring jedoch ein Tragödie wäre, wird auf der Tanzbühne zum ästhetischen Erlebnis.

Emio Greco und Pieter C. Scholten bauen ihre Stücke immer konzentriert und kompakt, sodass keine Langeweile aufkommen kann. Da ist kein Schritt, keine Handbewegung, kein Kopfdrehen oder Vortasten mit dem Fuß (wie es auch Greco so unnachahmlich gelingt) zu viel. Und wenn das Publikum am Ende eine Sekunde erstarrt bleibt, bevor der Applaus hochbrandet, dann nur weil es nicht glauben will, dass die Performance bereits zu Ende ist. Die Double Point-Serie nützen Greco / Scholten als Vorstudien zu neuen Stücken, um die Möglichkeit zu haben, Neues auszuprobieren, ohne unter dem Druck einer geplanten Aufführung zu stehen.

„Double Points: Hell“ entstand als Vorarbeit für das Gruppenstück „Hell“, das während des ImPulsTanz Festivals 2006 in Wien zu sehen war. Der so geheimnisvolle wie hinreißende Pas de deux einer Tänzerin mit ihrem Schatten (dem alter Ego, dem Liebhaber oder auch dem Tod?) wurde 2005 beim Festival von Avignon in neun Nächten hintereinander im Jardin de la Vierge aufgeführt. Anders als „Hell“, ein Stück für acht splitternackte TänzerInnen und zwei Scheinwerfer, ist die Studie eine intimere aber nicht minder exzessive Choreografie, in der die Tänzerin mit einem schwarz gekleideten Mann, der auch sein Gesicht verbirgt, in Beziehung tritt und dabei Gelegenheit hat sowohl physisch wie psychisch die Gefühlsskala in alle Dimensionen auszuloten.

Sie fürchtet sich vor ihm und kämpft mit ihm, sie will (und kann) ihn besiegen und sich ihm hingeben; sie wird zu seiner Beute und macht ihn zu der ihrigen;  mit gespreizten Beinen lädt sie ihn ein und verführt ihn als Tangotänzerin; sie attackiert ihn, er verbeißt sich in ihrer Schulter und verlässt sie. Allein und nackt steht die Tänzerin auf der Bühne, weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Bis der undefinierbare Schatten wieder auftaucht und ihr zwischen die Beine greift. Eine längst ausgefeilte Skizze entrollt sich auf der großen Bühne des Odeon, gewalttätig, geheimnisvoll und ungeheuer erotisch.

Greco / Scholten streifen in ihrer Choreografie die gesamte Tanzgeschichte, romantisch, klassisch, expressiv, gefühlvoll. Zu schnell sind die Bewegungen von Sawami Fukuoka, um sie genau zuordnen zu können. Ist auch nicht notwendig, denn nun kommt das große Finale, ta ta ta taa, der erste Satz aus Beethovens Fünfter. Man atmet auf, man kennt sich aus, alles wird gut.

Emio Greco / PC im Rahmen von ImPulsTanz

„Rocco in Two“, Uraufführung, MQ, Halle G, 10. August

„Double Points: Hell“, Odeon, 13. August 2011

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