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Gert1„Eine dolle Nummer, eine hervorragende Tänzerin, eine außerordentliche Frau.“ , sagte Kurt Tucholsky über Valeska Gert (1892–1978), der zur Zeit eine Ausstellung und Film-Retrospektive im Filmarchiv Austria gewidmet ist. Der zur Vernissage gezeigte Dokumentarfilm „Nur zum Spaß, nur zum Spiel“ von Volker Schlöndorff mit der 85-jährigen Künstlerin  vermittelte Eindrücke von ihrem Denken und Handeln.

Als „wilde Nummer“ bezeichnete sich die Grotesktänzerin, Kabarettistin und Schauspielerin Valeska Gert, die Zeit ihres Lebens ihren Weg verfolgte und darauf gepfiffen hat, was andere von ihr denken mögen. „Sie war nie ein Star, aber immer ein Skandal“, sagt Schlöndorff über sie. Sie hat hemmungslos getanzt, mit ihrem Körper, ihrem Mund, ihren Augen, mit ihrer Stimme. Ob man das nun als Tanz, als Kabarett, als Schauspiel bezeichnete, ob man es „Grotesktanz“, „Tanzpantomime“, „getanzte Zeitsatire“ nannte, darüber hat sie nicht nachgedacht. Nur das Attribut „expressionistischer Tanz“ gefiel ihr gar nicht. „Das war kitschig“, fand sie, sie verstand ihren Tanz als „realistischen Tanz“. Was sie gemacht hat, war ein Tanz des Lebens.

In ihren kurzen Tänzen vermochte sie ein Gefühl bis zur Essenz auszudrücken, wie sie auch in Schlöndorffs Film, der ein Jahr vor ihrem Tod gedreht wurde noch einmal eindrucksvoll unter Beweis stellte. Zum Beispiel zeigte sie, wie sie den „Tod“ mit einer langsamen Bewegung verkörpern konnte, oder eine „Japanische Groteske“ in Szene setzte, bei der der Mann von der Frau abgelehnt wird und danach Harakiri begeht.

Gert2In der Weimarer Republik war die Avantgardistin überaus erfolgreich. Auch in Wien gastierte Valeska Gert zwischen 1921 und 1924 mehrmals. Ihr Wien-Debut gab sie  am 8. Dezember 1921  mit „Groteske Tänze und Karikaturen“ im Konzerthaus. Auf dem Programm standen neben „Varieté", "Japanische Groteske", "Tango", "Cirkus", "Canaille", "Menuett" und "Kupplerin" auch "Kino" (von dem es im Filmarchiv nun aber keine Belege gibt). Als Schlussnummer stand „Alt Wien“ zu Musik von Johann Strauß Sohn auf dem Programm. (Der Hinweis "Bearbeitung" beim Strauß-Walzer auf dem Programmzettel überrascht nicht.) Weitere Tanz-Auftritte in Wien hatte sie in der Secession und im Neuen Saal der Hofburg.*

Volker Schlöndorffs Film zeigt auch, wie unmöglich es ist, Valeska Gerts Stil nachzumachen. Versuche mit Pola Kinski, der Tochter von Klaus Kinski, die Tänze einzustudieren scheiterten. Doch Schlöndorff nützte die Probensituation und stellte Kinskis Versuche den Anweisungen Gerts gegenüber. So gewinnt der Zuseher einen authentischen Eindruck von Arbeiten wie „Der Boxer“, „Zirkus“, „Kupplerin“ oder „Canaille“.Gert3

Auch Loulou Omer hat sich anlässlich der Vernissage im Filmarchiv mit der Künstlerin auseinandergesetzt. Quasi mit einem Blick von außen verkörperte sie in ein einem respektvollen Enactment Mimik und Haltungen der Tänzerin/Schauspielerin ohne die Tänze nachmachen zu wollen.

Natürlich sind auch Filmregisseure auf die ausdrucksstarke Künstlerin aufmerksam geworden. G.W. Pabst oder Jean Renoir haben Valeska Gert engagiert. Mit Eisenstein verband sie eine enge Beziehung, die aber nie zu einer Zusammenarbeit führte. Insgesamt hat sie in 16 Spielfilmen gespielt.

Valeska Gert war Jüdin und ihre Emigration in die USA in der Nazi-Zeit hat ihre Karriere erst einmal beendet. Für Amerika war die Grotesktänzerin zu ungeschliffen, zu grob, zu derb – abgesehen davon, dass sie sich mit ihrer direkten Art leicht Feinde machte. Lukrative Engagements blieben aus. (1939 engagierte sie übrigens als Klavierbegleiter für Probeauftritte zeitweilig den 17-jährigen Georg Kreisler.) Also eröffnete sie 1941 ihren eigenen Nachtclub in New York. Die „Beggar Bar“, eine Mischung aus Kabarett und Restaurant, wurde zum In-Lokal für Literaten, Schauspieler und Künstler.

Gert4Nach acht Jahren Exil zog es die Berlinerin zurück nach Europa, 1949 kam sie wieder in ihre Heimatstadt, wo sie zunächst das Kabarett „Bei Valeska“ und im Folgejahr das Kabarett „Hexenküche“ eröffnete, für die sie den jungen Klaus Kinski engagierte. Dort spielte sie einen Sketch über die für ihre Grausamkeit berüchtigte KZ-Kommandeuse Ilse Koch, die 1949 zu 16 Jahren Haft verurteilt worden war. Damit war Valeska Gert eine der wenigen Künstlerinnen, die die Gräueltaten der Nazi-Zeit direkt ansprach. Damit machte sie sich im Nachkriegsdeutschland wohl nicht nur Freunde. An ihren einstigen Erfolg konnte sie jedenfalls nicht anknüpfen. Doch sie wurde immer wieder von Regisseuren für Filmrollen angefragt und wirkte zum Beispiel in Fellinis „Giulietta Degli Spiriti / Julia und die Geister“  (1966), „Acht Stunden sind kein Tag“ von Rainer Werner Fassbinder (1973) und „Der Fangschuß“ von Volker von Schlöndorff mit.

Im Jahr 1951 erfolgte die Eröffnung des Nachtlokals „Ziegenstall“ in Kampen auf der Nordseeinsel Sylt. In der mit Heu dekorierten Bar sorgten wieder die Kellner nicht nur für das leibliche Wohl, sondern auch für die Unterhaltung der Gäste. Valeska Gert trat hier jedoch nicht selbst auf.

In der Ausstellung geben Standfotos und die wenigen erhaltenen Filmaufnahmen einen Einblick in ihre Arbeit, in der Film-Retrospektive sind neun ihrer Filme zu sehen.

* Dank an Gunhild Oberzaucher-Schüller für die Übermittlung der Wien-Bezüge in diesem Artikel.

„Valeska Gert. Gesicht – Körper – Bewegung“ im Filmarchiv Austria, bis 2. April.
"Nur zum Spaß, nur zum Spiel" wird am 20. März wieder gezeigt.
Detailliertes Programm auf www.filmarchiv.at

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