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linz_rumi2Jochen Ulrich hat mit seinem Linzer Ballettensemble die Liebesgedichte des persischen Poeten und Mystikers Rumi in Tanz umgesetzt. Ein gewagtes Unterfangen, beeindruckend und aufwühlend, das, nicht zuletzt durch den musikalischen Einsatz von Reza Mortazavi, das Publikum zu Beifallsstürmen hingerissen hat.

Wie sehr Lyrik dem Tanz verwandt sind, hat Jochen Ulrich mit seiner jüngsten Choreografie „Rumi – In Flammen“, beeindruckend gezeigt. Mit einem ausgezeichneten Ensemble (diesmal waren alle TänzerInnen als Solisten eingesetzt), einem zugleich verständlichen und zu Herzen gehenden Konzept und der großartigen Begleitmusik des Komponisten und Handtrommelvirtuosen (Daf und Tombak) Mohammad Reza Mortazavi konnte Ulrich auch die letzte Zweiflerin an der Möglichkeit, Gedanken der Mystik und Liebeslyrik in Tanz auszudrücken, überzeugen.

Der 33jährige Musiker aus dem Iran erzeugt mit seinen Fingern nicht nur den Rhythmus des Abends, sondern nahezu rauschhafte Melodien, die sich in Höhen und Tiefen schwingen, auf- und abschwellen und pulsieren wie das Leben.

Oder die Liebe.

Um die geht es nämlich in den Gedichten von Rumi, der von 1207 bis 1273 in Persien gelebt und wohl auch geliebt hat, und dessen Werke noch heute gelesen werden. Rumi landet als Mystiker natürlich irgendwann bei Gott, doch davor (so Ulrichs Interpretation) erzählt er auch von der Liebe der Menschen zueinander und die wird auch mit dem Körper ausgedrückt. „Den Körper benennt Rumi als den Austragungsort der Liebe“, sagt Ulrich und sieht genau darin die Berechtigung aus der Lyrik „Tanz zu machen“. Rumi lehrt, dass der Mensch Masken und Verkleidungen ablegen, sich von allen Irrtümern befreiten soll, dann wird er zu sich selbst finden und auch zur Liebe für einen anderen oder eine andere. So fremd sind auch den europäischen Mystikern solche Gedanken nicht und so hat auch Ulrich nicht versucht, fernöstliches Flair aufzubauen und das Publikum in eine ferne Welt zu führen, sondern lässt, was er durch den Dichter fühlt und denkt, im Hier und Jetzt spielen, und alle verstehen und sind berührt.

In fünf Jahren hat Jochen Ulrich am Linzer Landestheater ein sehenswertes Tanzensemble aufgebaut, das auch schwierige Passagen meistert. In dieser Produktion hat der Choreograf jedoch seine akrobatisch-aggressive Sprache gemildert, die Bewegungen sind weicher, die Hebefiguren geben dem Abend (knapp 75 Minuten, ohne Pause) etwas Schwebendes, hie und da blitzt sogar ein wenig Humor durch die gemeinsame Selbstfindung und den Weg zur allumfassenden Liebe.

Als Stargast tanzte der unnachahmliche Martin Dvorák die Hauptrolle, assistiert von den Herren des Ensembles, Fabrice Jucqois, Wallace Jones, Alexander Novikov und Ziga Jereb, die virtuos vormachen, wie man den Alten Adam ablegt und zu einem  neuen liebenden Menschen wird. Anna Sterbova, die als Diener des „Meisters“, die weibliche Hauptrolle tanzt, war am Premierenabend in Hochform. Die Kolleginnen ließen sich davon mitreißen.

Die in Rot getauchte Bühne von Simon Corder zeigt eine Art Arena, in der um die Befreiung und auch um die Liebe gerungen wird. Michaela Buerger hat teils unauffällige, teils fantasievolle Kostüme entworfen, die das wichtigste Gebot für eine Tanzaufführung beachten, die Bewegungen nicht einzuschränken, die TänzerInnen nicht zu behindern. Sie konnten auf den Flügeln des Gedankens und der Liebe ihre Freude an dieser Produktion zeigen und ganz in der Musik Mortazavis aufgehen, die sie antrieb und bremste, dirigierte und wieder frei ließ.

Ein Abend, der nur noch durch die geplante Aufführung unter den Sternen, auf dem Dach des Ars Electronica Centers, überboten werden kann.

„Rumi – In Flammen“, Ballett von Jochen Ulrich zur Musik von Mohammad Reza Mortazavi, Landestheater Linz, 18. Juni 2011.

Weitere Aufführungen: 2. Juli, Main-Deck des Ars Electronica Centers. 23., 29., 30. Juni im Linzer Landestheater.

 

 

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