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didoaeneasAuf Basis der Oper von Henry Purcell setzten der Komponist Christian Jost und der Choreograf und Regisseur Darrel Toulon ihre Version „Dido and Aeneas / DnA” als Auftragswerk der Grazer Oper in Szene. Mit Respekt und Einfühlungsvermögen für das barocke Original transferieren sie die Barockoper behutsam ins Heute.

Es ereignete sich in den Tiefen sagenumwobener Zeiten, wurde gut 1000 Jahre später poetisch von Vergil umgesetzt und von Henry Purcell, geboren 1659, in barocker Tradition vertont.  Nun nahm Christian Jost, geboren 1963, diese Variante rund um das zeitlose Thema „Liebe“ als Auftragswerk der Oper Graz wieder auf: klanggestalterisch transferiert er es ins Jetzt , bezugnehmend auf das Ausgangswerk einerseits und zusätzlich auf Texte rund um die Liebe von E.E. Cummings andererseits.

Darrel Toulon, Ballettdirektor und Chefchoreograph der Tanzcompanie der Oper Graz, hat schließlich all diese Vorgaben in ihrer Komplexität choreografiert und inszeniert - in der Absicht, es zu einem großen Gesamten zu formen. Für ihn „nichts anderes“ als die konsequente Fortsetzung dessen, was er im vergleichbaren „Messiah“ im Dezember 2010 begann , mit „Upper Room“ im September 2011 in kleinem Rahmen auf der Studiobühne weiter entwickelte und - in etwas anderer Konstellation, nämlich in der Gleichstellung von Tanz und Schauspiel auf der Bühne - im Rahmen des zeitgenössischen Festivals „tanz schritt weise“ im April 2012 mit dem Duo „Burns“ erweiterte.

Im jetzigen Ansatz handelt es sich freilich um einen neuen Schritt, dessen Risikopotential nicht nur im Umfang des zugrundegelegten, des medial mehrschichtigen Materials lag; es war vielmehr die zusätzliche Herausforderung, zwei in sich geschlossene Werke – Purcells Kurzoper „Dido and Aeneas“ und Josts musikalische Synthese aus Inhalten der Oper und Cummings Lyrik „DnA“ – miteinander zu verzahnen.

Die Übung gelang. Zur erforderlichen „Quantitäsbewältigung“ gesellt sich hohe Qualität, um nicht zu sagen eine von höchstem Niveau. Gelingt es doch Toulon und all den zahlreich beteiligten KünstlerInnen, eine Umsetzung eines veritablen „Gesamtkunstwerks“ in zeitgenössischer Spielart zu realisieren, logisch-bezaubernd der Bühne entwachsen zu lassen

Die überzeugende Umsetzung beginnt schon beim optischen Rahmen, dem Bühnenbild von Alfred Peter: Er gestaltet die beiden Werke/Teile in kontrapunktierter Manier: Die Welt der Vergangenheit bettet er in gleichermaßen klar strukturierte, schlichte, sich in Bewegung befindende, sich verändernde, in die Höhe strebende und scheinbar bis zum Schnürboden reichende (Falt)Bauten. Sie genügen nicht nur hohen ästhetischen Ansprüchen, sondern beflügeln in ihrer individuellen Lesbarkeit auch die Fantasie. In ihrer ganzen Größe dunkel abgehängt, leer und statisch präsentiert sich die Bühne im zweiten Teil – und damit in einer Gestaltung, die anders zu sein kaum vorstellbar scheint für das Gezeigte. Kongenial Yumiko Takeshimas Kostüme: geschlechtsneutrales Gewand einer Dienstleistungsgesellschaft im ersten Teil, klassisch-sinnlich fließt der Stoff, in dem verhüllte Verführung in dezenter Enthüllung steckt, im zweiten.

Das Grazer Philharmonische Orchester unter der musikalischen Leitung von Johannes Fritzsch stellte sich gekonnt der grundsätzlichen Herausforderung unterschiedlichster Interpretationsanforderungen wie auch dem der Begleitung eines überzeugenden Chors der Oper Graz (Bernhard Schneider). Dass das Zusammenspiel mit Ivan Orešcanin (Aeneas) bereits auf mehrere Jahre der Erfahrung zurückgreifen kann, ergibt wohl einen weiteren Qualitätszuwachs. Dass dieser selbst sich hingegen mit großen, neuen Herausforderungen zu konfrontieren hatte, nämlich mit einer Art „tänzerischen Integration“ ins Gesamtkonzept, das steht auf einem anderen Blatt. Das Ergebnis dieser „Zusatzaufgabe“ ließ fast jeden bewundernd staunen – was vergleichbar für seine Partnerin Nazanin Ezazi gilt, die nicht nur stimmlich begeisterte und wie ihr Partner darstellerisch berührte, sondern auch tänzerisch Erstaunliches „aufs Parkett legte“.

Die tänzerische Kraft dieser Aufführung manifestiert sich vom ersten Augenblick an. Nach Heben des Vorhangs sieht sich das Publikum mit einer „ Installation“ - geformt aus Menschen, aus den Mitgliedern der Tanzcompanie – konfrontiert, die nach kurzem Verharren „zerfällt“: eine sehr gelungene, inhaltliche Vorausdeutung. Wenig später sind es die kleinen, aber markanten Gesten einiger TänzerInnen, die indirekt zum zentralen Thema führen: Ausgeführt von ihren Händen, die sich einander nähern, interagieren, sich wieder trennen – zögerlich, dynamisch, liebevoll, nachdrücklich …: es geht um das Miteinander. Es geht um die Liebe zwischen zwei Menschen, die im ersten, dem Tanz-Theater verbundenen Teil, erzählend behandelt wird. Es geht um Liebe im allgemeinen Sinne und somit um eine Art abstrakte Auseinandersetzung.

Dass Henry Purcells Musik zum fast „Abheben“ der TänzerInnen beiträgt, verwundert dabei noch weniger; dass diese aber auch der um so vieles mehr kantigen, grandiosen zeitgenössischen Komposition Christian Josts so gerecht wurden – das soll besonders vermerkt werden. Toulons choreographisch/dramaturgische Vorgabe trug das Ihre dazu bei.

Die beiden ProtagonistInnen des ersten Teils sind zwar auch im  zweiten Teil integriert, sind in ihren Rollen geblieben, aber sie treten nun als am Bühnenrand Stehende, also nicht agierende Sänger auf. Sie sind in gewissem Sinne also auch aus ihren Rollen gestiegen, haben eine Meta-Funktion bekommen – packend und berührend allemal. Die Choreographie ist auch dadurch stringent, dass den TänzerInnen keine weiteren Experimente (zum ohnehin insgesamt gegebenen „Experiment“) abverlangt werden, vielmehr eine Bewegungs- Brücke gebaut wird vom großen Vergangenen zum Jetzt – nur vorsichtig in einem heutigen Idiom formuliert.

Sehr sehens-, hörens- und erlebenswert!

„Dido and Aeneas / DnA“, Uraufführung am 24. Mai 2012 in der Oper Graz (www.oper-graz.com)

Weitere Vorstellungen:  2., 6., 8., 14., 15.,20., 30. Juni, 1. Juli 2012

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