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erendiraKörper, in die sich Geschichten schreiben. Ismael Ivos „Erendira“, lose nach der von Gabriel Garcia Marquez im Stil des magischen Realismus erzählte Kurzgeschichte, wird von 18 Tänzerinnen und 11 Tänzern im Volkstheater uraufgeführt. Heraus kommt gerocktes Sozialdrama, von jungen Professionals der Grupo Biblioteca Do Corpo.

Das Trainings-, Forschungs- und Performanceprojekt Biblioteca do Corpo geht in die zweite Runde: Nach dem gelungenen Einstand mit „No Sacre“ im Vorjahr, bei dem junge Tänzer und Tänzerinnen am Karrierestart ihr Talent unter Beweis gestellt haben, wird heuer das Thema Kindesmissbrauch verhandelt. Gabriel Garcia Marquez Kurzgeschichte „Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Erendira und ihrer herzlosen Großmutter“ aus dem Jahr 1974, handelt von einem 14-jährigen Mädchen, das nach der Arbeit vor Erschöpfung einschläft und vergisst, die Kerze zu löschen. Worauf ein Feuer ausbricht und das Haus zerstört. Die Großmutter zwingt nun das Mädchen zur Prostitution, um den Schaden wieder gut zu machen. Erendiras Geliebter, Ulysses, möchte sie befreien.

Ismael Ivo stellt mit Marcel Kaskeline (Bühnenbild) ein in düsteres Licht getauchtes Stangengerüst mit mehreren Ebenen auf die Bühne, auf dem die männlichen, schwarz gekleideten Tänzer mit „Kerzenlicht“ agieren. Davor liegen 18 Tänzerinnen am Boden und tanzen eine Choreographie der emporgestreckten, bloßen Beine. Sie alle sind Verkörperungen Erendiras, die von einer grausamen Big Mama, der wunderbaren Schauspielerin Cleide Queiroz aus Sao Paulo, drangsaliert werden. Diese schreckt auch vor der Peitsche nicht zurück. Zigarre rauchend, sich in der Badewanne liegend verwöhnen und umherschieben lassend, herrscht sie über die jungen Mädchen. Ihre Enkelin wird in eine Glasbox gesperrt, als Jungfrau angepriesen und an einen Freier verhökert.

Die Choreographie ist aufgebaut wie eine Nummernrevue, hochdramatische Musik wechselt mit soften, schwermütigen Klängen ab. Großteils verwendet Ismael Ivo Metallica-Interpretationen der finnischen Cello-Rock-Band Apocalyptica. Als Kontrapunkt dazu auch Aufnahmen der peruanischen Sängerin Yma Sumac (1922–2008), die Musik der Inka gesanglich wiederbelebt hat. Dazwischen singt Cleide Queiroz Seemannslieder. Die Schauspielerin ist der Kapitän auf einem untergehenden Schiff, von dem Ulysses Erendira rettet.

Ein wirklich durchgehender, erkennbarer Handlungsstrang fehlt den sonst ausdrucksvollen Bildern und Szenen, die immer loser aneinander gereiht werden und in denen Solos und Gruppenchoreographien abwechseln. Das Ende leitet ein wunderbares Spitzentanz-Solo ein, bei dem die Tänzerin die Schuhe zuerst an den Armen trägt und wie Speere in den Boden stößt. Auch über die Füße gezogen, bleiben ihre Schritte hart und erdig, Erendira erhebt sich aus ihrem Opferdasein, sie beginnt zu kämpfen. Aus der Glasbox quellen Orangen auf den Boden, Erendira wird von Ulysses gerettet, aber sie verlässt ihn, läuft davon, ohne sich umzublicken. Das Publikum applaudiert heftig.

Cie. Ismael Ivo & Grupo Biblioteca Do Corpo, Erendira, 13.8.2014, Uraufführung. Weitere Vorstellung 15.8.2014 www.impulstanz.com

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