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schlaepfer sinfonia„Sinfonien“ – Johannes Brahms: 2. Symphonie, D-Dur sowie Sinfonia I („Fogli“) und Sinfonia II („Ricordanze“) von Wilhelm Killmayer – haben Martin Schläpfer zu hochgelobten Choreografien inspiriert. Das Ballett am Rhein, dessen Direktor Schläpfer seit 2009 ist, zeigte den Doppelabend im Festspielhaus St. Pölten. Musikalisch begleitet wurden die TänzerInnen vom Tonkünstler Orchester Niederösterreich unter der Leitung von Axel Kober.

Ein seltsames Tanzstück ist Martin Schläpfer zu den aus einzelnen Tönen und stillen Momenten bestehenden Klangflächen Wilhelm Killmayers (Sinfonia I und II , entstanden1968) eingefallen. Langsam, fast unmerklich bewegen sich die TänzerInnen – vier Paare, die Männer mit nacktem Oberkörper in langen Röcken, die Frauen in dirndlartigen Kleidern mit bäuerlicher Zopfkrone. Die Zeit ist aufgehoben, es passiert kaum etwas, das steigert die Spannung. Puppenhaft steif und energielos tanzen die Frauen in der gedehnten Zeit auf Spitze. Sie werden gehoben und geschoben, keine Sekunde losgelassen. Endlich kommt etwas Bewegung in die dumpfe Aussichtslosigkeit Ein fünfter Mann taucht auf, ist ein Anderer, ein Fremder, stört die Symmetrie. Die beklemmende, fesselnde Magie dieser sonderbaren Rituals bleibt bestehen.
Bis Schläpfer am Ende den Bann bricht, die DorfbewohnerInnen mit Wasserschaffeln ausstattet, in denen sie, die Röcke vorsorglich gerafft, kräftig mit den Füßen planschen dürfen. Schläpfer hat dieses knappe sehr geschlossene Stück 2009 für das ballettmainz geschaffen und dafür prompt den deutschen Theaterpreis „Der Faust“ in der Kategorie Choreografie erhalten.

Im zweiten Teil des Abends, also Brahms 2. Sinfonie. Das Orchester sitzt zu tief unten, wie erstickt steigen die Töne aus dem Graben. Nichts ist zu spüren vom blauen Kärntner Sommerhimmel unter dem Brahms diese 2. Sinfonie begonnen hat, nichts von erwärmender Heiterkeit. Sei’s drum, wir sind nicht im Konzert sondern im Ballett und da sind doch auch die Augen beschäftigt. Die haben genug zu tun, weil sie, kaum öffnet sich der Vorhang, mit Keso Dekkers Bühnenbild beschäftigt sind. Kräftige dunkle Pinselstriche auf hellerem Grund, die sich im wechselnden Licht mitändern, bilden den Hintergrund.. Die Farben und Strukturen wiederholen sich in den hautengen Trikots (ebenfalls von Dekker), die den Tanzenden eine glitzernde, fischartige Geschmeidigkeit verleihen. schlaepfer brahms gertweigelt

In fließenden Bewegungen zeigen die TänzerInnen des Ballett am Rhein, wie klassisches Ballett heute getanzt werden kann – eine Sinfonie aus Erinnerungen und Zitaten, heiter und melancholisch, energisch und kraftvoll, dann wieder leise und innig. Und auch, wie bei Schläpfer so oft, mit augenzwinkernder Ironie. Etwa wenn am Ende des 1. Satzes sechs gelbe Entchen am Bühnenrand aufgereiht werden. Dahinter tanzen die schönen Schwäne in der Diagonale, die Zauberer ziehen ihre Kreise und die Prinzessinnen schwingen so elegant die Arme, dass kein Prinz widerstehen kann.

Hoppla, jetzt habe ich mich verrannt: Das Ballett am Rhein zeigt weder Schwanensee noch Swanilda („Coppelia“) sondern die 2013 entstandene Choreografie zu Brahms Sinfonie 2.

schlaepfer brahmsDoch sie sind tatsächlich da, die verzauberten und verzaubernden Wesen, die leiblichen Guten und faszinierenden Bösen. Sie sehen nur anders aus, tragen keine weißen Röckchen und samtene Hosen mehr, und bewegen sich dennoch als ob sie den Boden nicht berührten. Sie verbergen sich innen drinnen in der Choreografie, in den Tänzerinnen und Tänzern, und zeigen sich nur in kurzen Momenten. Sie sind mehr als hundert Jahre alt, doch in aller virtuosen Gestik und Ausdruckskraft noch sehr lebendig. Schläpfer weiß das, schätzt das und benutzt dieses Erbe ebenso virtuos und feinst geschliffen, wie es seine TänzerInnen auf der Bühne zeigen. Doch der romantische Zauber wird auf doppelten Boden getanzt, auf dem des 21. Jahrhunderts und das kennt weder Schwanenprinzessinnen noch Sylphiden – bestenfalls ein paar Enten für die Badewanne.

Ballett am Rhein / Martin Schläpfer: „Sinfonien“ (Martin Killmayer: Sinfonia I („Fogli“) und Sinfonia II (“Ricordanze“); Johannes Brahms  Symphonie Nr. 2, Festspielhaus St. Pölten, 18. April 2015.

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