Der Zirkus ist in der Stadt - viele gehen hin und alle sind begeister. Was nicht unbedingt vorauszusehen war, als Werner Schrempf, Intendant der „Cirque Noël“-Veranstaltungsreihe, vor acht Jahren den Entschluss fasste, Cirque Nouveau in Graz vorzustellen, bekannt zu machen. Die eigene Begeisterung für diese zeitgemäße Zirkusform hatte ihn dazu veranlasst, der Erfolg (mit nahezu hundert Prozent Auslastung) gibt ihm recht.
Unter den sieben bisher gezeigten Produktionen waren zwei, „Call me Maria“ und die besonders bezaubernde Kreation „Circus Klezmer“, für die Schauspieler und Regisseur Adrian Schvarzstein verantwortlich zeichnete. Unter seiner Leitung entstand nun im Laufe von zwei Jahren eine Eigenproduktion in Zusammenarbeit mit Künstlerinnen aus 8 Ländern und als Koproduktion von Cirque Noël Graz und dem belgischen Theater op de Markt, Dommelhof: „Seasons“. Ein Zirkus-Theater-Stück nennt er, was da zu barocken Popmusikklängen, schwungvoll emotional interpretiert von der jungen Grazer Hofkapelle, die Bühne mit selten zu erfahrender Lebendigkeit erfüllt; als Gesamtkunstwerk der Klänge, Farben und Bewegung, der Inhalte rund um stete Wandlung, um Werden und Vergehen.
Es ist eine Flut detailreicher Bilder – angelehnt an die des niederländischen Meisters Pieter Brueghel –, die sich in kleinen und größeren Szenen aneinanderreihen, ineinanderfließen: solche des Alltags, des Zwischenmenschlichen - so wie es war im Barock und wie es nach wie vor ist rund um Zank und Liebe, um Ordnung und Chaos, um Ruhe, Hektik und Melancholie, um Wünsche, Sehnsüchte und Konkurrenzkampf… . Und solche Szenen, die aus dem Alltag herausragen, hierorts präsentiert von Spitzenartisten aus dem Bereich der Artistik und Akrobatik und vielem dazwischen - geradezu beiläufig eingestreut in das, was das alltägliche Leben ansonsten ausmacht: Auch noch so tosender Zwischenapplaus wird durch abwechslungsreichen, witzig-charmanten Übergang zur nächsten Szene überspielt. Diese Uneitelkeit der Präsentation paart sich mit dem Ideenreichtum dessen, was vorgeführt werden kann: So entwickeln sich die Vorwürfe einer Frau an ihren Mann in Bezug auf das Trinken zu einem gemeinsamen, kämpferisch-harmonischen „Jonglieren“ mit den „corpora delicti“, mit den Flaschen, auf einer Tischplatte in einer nicht endend scheinenden Variationsbreite (und Kunstfertigkeit). All diejenigen, die sich schon einmal am Diabolo erprobten, mögen sich vorführen lassen, welch elegante Sprungkraft und rhythmisch-geschmeidige tänzerische Vielfalt in diesem – und seinem Spieler – stecken kann! Und alle Tanzinteressierten mögen ihre Blicke heben, um das zu verfolgen, was sich an fantastisch Choreographischem auf den Händen/Armen, auf dem Kopf eines Mannes hinzaubern lässt – oder auf einem waagrecht hängenden Seil: der atemberaubenden Ästhetik scheinen wenig Grenzen gesetzt. Statik-Liebhaber könnten einmal durchrechnen, wie viele hölzerne Barhocker in welcher Art zu einem besteigbaren, schmalen Turm von jemandem ohne Hilfe aufgestellt/ineinandergefügt werden können, um sich abschließend auf seiner Spitze zu positionieren.
Dass ein derart vielfältig poetisches, kompakt gefügtes, lebensnahes Programm innerlich tanzen lässt – ob der Zuseher sich dabei auf einem der derzeitigen Spielplätze (im weitesten Sinne) oder auf einem mittelalterlichen Markplatz wähnt: das kann man oder frau, Jung oder Alt nur selbst überprüfen, um es staunend genussvoll zu erfahren.
Cirque Noël "Seasons" Premiere am 18. Dezember 2015 im Orpheum Graz, Vorstellungen bis 6. Jänner 2016