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foreigntongues2Mit seiner neuen Produktion erfindet sich Chris Haring neu. Im ersten Teil der Serie, in der der Wiener Choreograf die Sprache in den Mittelpunkt seiner Untersuchung stellt, verzichtet er im Gegensatz zu seinen letzten Stücken (fast) gänzlich auf Hightech. Die Zutaten diesmal: eine kahle Bühne, ein raffiniertes Lichtdesign, eine präzise Choreografie zu einem Sound aus Sprache und Mininal Music sowie die hinreißenden Liquid-Loft-Tänzerinnen und Tänzer.

Stephanie Cumming murmelt leise in einer unverständlichen Sprache. Ihre Rede begleiten elegante Gesten, die auf den Inhalt ihrer Aussage keine direkten Schlüsse bieten. Nach und nach kommen die anderen Performer dazu: Katharina Meves, Luke Baio, Karin Pauer, Arttu Palmio. Sie alle reden in einer anderen Sprache vor sich her, keine, die man erkennen oder gar verstehen kann. So weit, so 90er Jahre, möchte man meinen, als das babylonische Sprachengewirr auf der Bühne zum Ehrenkodex im Tanztheater gehörte.

Doch „Foreign Tongues“ hat das Zeug zum Trendsetter. Keine Kameras, keine Projektionsflächen stehen hier mehr im Weg, keine Spiegelungen, Reflexionen, Verzerrungen und andere Tricks, die die elektronische Medienwelt zu bieten hat, müssen synchronisiert werden. Nur Sound und Bewegung sind aufeinander abgestimmt, nicht in ausladender, raumgreifender Manier, sondern in zurückhaltender Reduktion - Virtuosität als Understatement. Die Choreografie wird vom Rhythmus und von der Melodie der Sprachen geleitet – und dabei hat Haring sich für „exotische“ Minderheitensprachen entschieden: man hört Occitane, Katalanisch, Burgenländisch-Kroatisch, schottisches Englisch, Romani, Baskisch, Kasachisch, burgenländisches Deutsch … Im Gegensatz zu den frühen Versuchen mit der Unverständlichkeit von Sprache gibt es hier keine Aufgeregtheit, vielmehr scheinen sich die Performer auf körperliche Codes zu einigen, mit denen sie in einen Dialog zueinander treten, zu zweit, zu dritt, in der Gruppe. Mit meditativer Gelassenheit entfalten die Tänzer im Playback ihre Gestensprache. Minutiös setzten sie ihre Mund-, Hand- und Körperbewegungen – sparsam, verhalten, kontrolliert. Andreas Berger hat dazu eine kongeniale Musik komponiert, die die Textpassagen überbrückt, miteinander verbindet, sie unterstützt. Erst am Ende sprechen die Tänzer selbst auf der Bühne, der Text wird immer leiser, die Bewegungen führen ihn bis zum Blackout fort. Thomas Jelinek setzt mit seinem Lichtdesign auf farbige Akzente und Schattenspiele.

Das Ergebnis ist magisch. Nach anfänglicher Irritation nichts vom Gesagten zu verstehen, gebe ich auf. Die hochästhetische Bewegungssprache, die sich auf der Bühne entfaltet, lädt ein zum Loslassen, sich von den Körpergeschichten berühren, erheitern und in eine andere Welt der Kommunikation versetzen zu lassen.

Die künstlerische Wende, die Chris Haring mit seinem Team vollzogen hat, ist großartig gelungen: „Foreign Tongues“ ist choreografisch inspiriert wie selten, doch genauso originell und akribisch genau umgesetzt wie alle Liquid-Loft-Produktionen. Die Fortsetzung wird mit Spannung erwartet.

Chris Haring / Liquid Loft „Foreign Tongues“, Uraufführung am 16. Februar 2017 im Tanzquartier Wien. Vorstellungen bis 18. Februar

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