Drei Veranstaltungen der letzten Tage standen ganz im Zeichen des tänzerischen Nachwuchses: Absolventinnen der Bühnentanzausbildung am MUK Wien gaben ihre Jahresabschluss-Performance. Im Kooperation mit Imagetanz riefen das Choreografische Zentrum Burgenland D.ID- Dance Identity und OHO in Oberwart „Made in Austria“ aus. Das Künstlerkollektiv Superamas präsentierte drei Produktionen, die im Rahmen ihrer Reihe „Huggy Bears“ entwickelt werden.
MUK: „Articulation. 4“
Mit Auszeichnung bestanden die vier Absolventinnen der Bühnentanzausbildung des MUK ihre Prüfung. Zu Recht, denn Laureen Drexler, Franziska Gaßmann, Mara Kluhs und Rebeka Mondovics bewiesen an diesem Abend unter dem Titel „Articulation. 4“ Bühnenreife. Für diesen Abschluss arbeiteten die Studierenden mit Emmanuel Obeya, Esther Balfe und Georg Reischl, die aufgrund ihrer Biografien eine ähnliche tänzerische Ästhetik verfolgen (alle arbeiteten mit Liz King und William Forsythe zusammen, dessen Einfluss unverkennbar ist). Im Zentrum des Abends stand die Choreografie „Relayed Reaction“ von Esther Balfe, die seit 2012 am MUK unterrichtet. Sie hat für ihre Studentinnen eine spannende Bewegungscollage zu Musik von Frédéric Chopin und Mac Quayle kriert. Auf der Leinwand im Hintergrund führte eine digitale Figur (entwickelt von Christina Jauernik und Christian Freude als Research Projekt des IKA an der Akademie der Bildenden Künste Wien), eine Art Golem, ihren eigenen Tanz aus. So pendelte die Aufmerksamkeit zwischen der Computeranimation und den Tänzerinnen, doch statt voneinander abzulenken, kam es durch die beiden Ebenen zu einer Verstärkung. Freilich, durch die intensive und kontinuierliche Auseinandersetzung sind die Studierenden (neben den Absolventinnen tanzte Catarina Garcia vom 3. Jahrgang mit) mit Balfes Stil bestens vertraut, ein Stil, in dem sich die Bewegungen flüssig in einem durchlässigen Körper entfalten. Und so meisterten sie auch Obeyas „Violent Shifts“ und Georg Reischls „Nowness“ trotz weitaus kürzerer Probenzeiten souverän. Eine hoch professionelle Aufführung, die man gut und gerne auch außerhalb des Studienkontexts sehen würde.
Doch wer propagiert hierzulande diese Art von Tanz? Bekanntlich sind hierzulande alle Bemühungen gescheitert eine mobile, zeitgenössische Repertoirecompagnie zu schaffen. Damit fehlt auch das „missing link“ zwischen dem klassischen Ballett wie es an der Wiener Staatsoper und Volksoper gepflegt wird und dem Experiment, das man im Tanzquartier, im brut, im WUK und in diversen Festivalformaten findet. Und es fehlt an Kontinuität, die die Tanzentwicklung auf eine solide Grundlage stellen würde. Mit der Etablierung von anspruchsvollen Tanzausbildungen im tertiären Bildungssektor ist ein wichtiger Schritt getan. Doch nach wie vor stellt sich die Frage: Wohin mit der tänzerischen Exzellenz, wie sie im MUK, im SEAD oder an der Bruckneruni gelehrt wird? Hierzulande finden Tänzer jedenfalls höchstens projektbezogene Arbeit.
In diesem Sinne waren „Made in Austria“ von D.ID Dance Identity und „huggy bears“ des Künstlerkollektivs Superamas ganz der Kreation junger Künstlerinnen und Künstler verpflichtet. Auch wenn die beiden Initiativen unterschiedliche Wege bei der Nachwuchsförderung gehen, beide bieten einen geschützten Rahmen neue Produktionen zu entwickeln und zu präsentieren.
„Made in Austria“ in Oberwart
In Rahmen einer Kooperation mit dem Wiener imagetanz-Festival präsentierten sich im OHO in Oberwart vier sehr unterschiedliche ChoreografInnen/TänzerInnen. Alle gezeigten Stücke wurden vom Choreografischen Zentrum Burgenland „D.ID Dance Identity“ unter der Leitung von Liz King (ko-)produziert, das in Pinkafeld einen Probenraum für Residenzen anbietet. Höhepunkt des über dreistündigen Programms war Eva-Maria Schallers „Vestris 4.0“. Sie hat ihre Auseinandersetzung mit Auguste Vestris (1760-1842) bzw. die Verkörperung des Tänzers und Tanzmeisters durch Mihail Baryschnikov in einem Tanzstück von Leonid Yakobson in eine klare Struktur gestellt. In acht Tableaus begibt sie sich auf die Spuren seiner Gestik und Mimik. Die Bilder werden von einem eigens dafür von Matthias Kranebitter komponierten Score begleitet, in den die Cellistin Maiken Beer auf der Bühne immer wieder live intervenierte. Das Ergebnis ist ein dramatischer, teilweise aggressiver Sound, der die formale Ebene des Tanzes konterkariert wie es die Choreografin wohl auch mit ihrem Genderwechsel der Figur Vestris' vorhatte. Eva-Maria Schaller ist damit eine spannende Performance gelungen, die auch ihre Stärken als Tänzerin unterstreicht. Sie absolvierte ihr Studium des zeitgenössischen Tanzes an der Rotterdamer Hochschule für Musik und Tanz. In den Niederlanden tanzte sie in verschiedenen Compagnien und in Wien unter anderem in mehreren Produktionen von Christine Gaigg. Ihr eigenes Stück „Judith“ hatte letztes Jahr in Innsbruck Premiere (tanz.at berichtete).
Auch die Arbeit der ArtEZ Arnhem-Absolventin Mirjam Sögner ist viel versprechend. Für ihr Stück „Dancer of the Future“ nimmt sie schwarz-weiß Fotografien der posierenden Isadora Duncan zum Ausgangspunkt für eine differenzierte Choreografie, die sie zusammen mit Luan de Lima da Silva umsetzte. Unterschiedliche Bewegungsqualitäten, von Zeitlupe über Stacchato-Posen bis zu Rave Moves, sind sorgfältig im weißen Raum und zum elektronischen Sound von Barney Khan in Szene gesetzt. Die einzelnen Abschnitte könnte man durchaus straffen um einen noch größeren Impakt zu erzeugen.
Inge Gappmaier sowie das Duo Patrick Schmatzer und Sally O’Neill waren die eigentlichen Newcomer dieses Abends. Patrick Schmatzer und Sally O’Neill haben das Problem des Ideenüberflusses und begeben sich in ihrer Performance auf das schlüpfrige Terrain der Beliebigkeiten. Gappmaier fand in der 80-jährigen Maria Anna Farcher - sie ist Mitglieder der Body Focus Group von Liz King – ihr Gegenüber. Schön, dass der Altersunterschied in dieser Arbeit keine Rolle spielte, dass sich die beiden einfach in einen Bewegungsdialog treten konnten. Doch insgesamt fehlt es dem „work in progress“ an einem Angelpunkt, an dem sich das Publikum orientieren kann. Wohin geht das Spiel mit den Requisiten, die immer neu geordnet werden?
Huggy Bears – Der Anfang
Superamas erfanden im letzten Jahr das Format „Huggy Bears“, in dem junge Nachwuchskünstler von Mitgliedern des Kollektivs ein Jahr lang in künstlerischen, produktionstechnischen und administrativen Fragen unterstützt werden. Bei imagetanz wurden nun die drei Arbeiten vorgestellt, die im Laufe des Jahres entwickelt werden sollen.
Matan Levkovitch (der beim letztjährigen Imagetanz als charismatischer Performer auffiel) ist von seinem Jiujitsu-Training so begeistert, dass er in seinem Stück Kampfsport und Sexualität gegenüberstellen will. Wie er aus dem Gerangel, das er mit seinem Trainer als Appetizer zeigte, Erotik herausschälen wird, ist zur Zeit noch nicht absehbar – in dem Stück „War and Love“ werden jedenfalls ein Mann und eine Frau vom „intimen“ Kampf zur Liebe finden. Die Schauspielerin und Tänzerin Malika Frankha nennt ihr Stück „Let’s keep it open“, und dementsprechend offen ließen ihre ersten Darbietungen, ein Text und ein Lied, die weitere Entwicklung.
Einen viel versprechenden Teaser präsentierten die bildende Künstlerin Maiko Sakurai und die Tänzerin Cat Jimenez mit „PI – episode 3“. Die beiden Frauen asiatischer Abstammung konzentrieren sich bei ihrer Spurensuche auf die Interaktion der Tänzerin mit einem filigranen Bühnenobjekt. Bereits die ersten Minuten ziehen den Zuschauer in einen meditativen Sog purer Poesie.
Die fertigen Produktionen werden Ende des Jahres gezeigt. Doch leider wird nach dieser zweiten Ausgabe die Huggy Bears Plattform voraussichtlich nicht weitergeführt werden können. Das Kuratorium der Stadt Wien, das über die Subventionsvergaben entscheidet, hat beschlossen, Superamas nicht weiter zu unterstützen. Doch das ist eine andere Geschichte …
MUK, Studienang Zeitgenössischer und Klassischer Tanz: „Articulation. 4“ am 14. März im MuTh
„Made in Austria“ am 18. März im OHO, Oberwart, Burgenland
„Huggy Bears“ am 19. März im brut Wien