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Alma Guillermoprieto begann ihre Karriere als Tänzerin, wechselte später zum Journalismus und wurde zu einer anerkannten Auslandskorrespondentin für Lateinamerika. Als solche schreibt sie Berichte für Zeitungen wie den New York Times und The New Yorker.
Ihr Aufenthalt in Kuba im Jahr 1970 ist für diesen Karrierewechsel bestimmt von Bedeutung gewesen. Als junge Tänzerin von 20 Jahren wurde sie von Merce Cunningham an die Modern Dance Abteilung der Escuela Nacional de Arte (ENA) entsandt, wo sie sechs Monate unterrichtete. Diese Erfahrung und wie ihre persönliche Entwicklung durch die gesellschaftlichen Wirren der revolución geprägt wurde, beschreibt Guillermoprieto in ihrem Buch „Havanna im Spiegel. Eine Erinnerung an die Revolution“.
Hier beginnt die Autorin, politisch denken zu lernen, stellt die richtigen Fragen, die sie sich aber nicht zu äußern traut, da sie sich dem Vorwurf, „konterrevoutionär“ zu sein, nicht aussetzen will. Sie erlebt die hehren Ziele der Revolution und die Unfähigkeit, diese umzusetzen. Da wäre etwa die berühmte „zafra“, die Zuckerrohrernte für die Castro der Nation 1970 das Plansoll von 10 Millionen Tonnen verordnetet. Eine ganze Nation nahm wie besessen an einem Projekt teil, das von vornherein zum Scheitern verurteilt war, nicht nur wegen der veralteten Maschinen und der Fehlentscheidungen im Aufbau einer Infrastruktur, die den Transport erst ermöglichen sollte. „Chicanos aus Los Angeles, Klavierschüler aus Cubanacán, Büroangestellte aus Camagüey ... über die geringe Produktivität dieser improvisierten macheteros machte sich keiner Gedanken“, schreibt Guillermoprieto „ … der körperliche Einsatz, den die zafra erfordert, lässt sich durchaus mit Tanzbewegungen vergleichen - man muss elastisch sein, um sich zum unteren Teil des Rohrs hinabzubeugen, der den größten Teil des Zuckers enthält, stark genug, um die Stangen mit einem einzigen Machetenhieb abzuschlagen, und genau, um von jedem einzelnen Rohr die Blätter zu entfernen und sie schnell zu bündeln -, und jeder Tänzer hätte Fidel sagen können, dass sich das weder an einem Tag noch in ein paar Tagen erlernen lässt ...“
Durch den Widerspruch zwischen der verehrende Begeisterung, die die Kubaner (und allmählich auch die Tänzerin) für Fidel und die revolutionären Helden zeigten und der Realität der revolutionären Alltags, fällt Guillermopietro in die Sinnkrise. Als nämlich das Scheitern des Mottos: „1970: Das Jahr der Zehn Millionen“ nicht mehr aufzuhalten ist, hält der charismatische Fidel Castro eine seiner langen Brandreden. Und am Ende hieß es wieder: „Con Fidel. Hasta la victoria siempre. Patria o muerte. Venceremos“.
Die Obsession, mit der die Guerilleros den Märtyrertod glorifizierten, löste bei Guillermopietro eine wahre Sinnkrise aus, die in (ganz unheldenhaften) Selbstmordgedanken mündete. Denn auch der Tanzunterricht bot keine Erleichterung, denn im Studio gab es keine Spiegel und noch vieles andere nicht: „Keine Musik, katastrophale Akustik, schlecht verpflegte Studenten, keine Idee, wie der Unterricht am nächsten Tag aussehen soll … Es gab niemanden, den ich hätte um Rat fragen können. Ich ließ einige Empfindungen vom Vormittag Revue passieren, an denen ich mich festhalten konnte … Doch dann überfielen mich Unruhe und Angst, die seit dem ersten Tag auf mir gelastet hatten, erneut mit einer Wucht, als würden sie mir die Luft aus den Lungen pressen.“
„Havanna im Spiegel“ ist ein exzellentes Buch, da es ein Stück Zeitgeschichte mit einem persönlichem Schicksal verbindet und dadurch den widersprüchlichen Geist der Kuba-Revolution in der Protagonistin reflektiert. Sehr flüssig geschrieben und schlüssig übersetzt von Matthias Wolf ist dieses Buch eine empfehlenswerte Lektüre, nicht nur für TänzerInnen.

Alma Guillermoprieto
Havanna im Spiegel
Berenberg Verlag
Erscheinungsjahr: 2009
ISBN: 978-3-937834-3-37

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