So agieren die TänzerInnen in „You’ve changed“ nicht synchron zur Videoeinspielung, sondern suchen in ihrem projizierten Alter Ego Positionen und Winkel, die sie auf der Bühne wiederholen oder ergänzen. Die Tänzerkörper agieren in einer Art Vektorensystem, in dem ihre Gesten und Bewegungen exakt in Beziehung zueinander und zum Raum stehen. Diese präzise Anordnung, die auf der Bühne aus der Improvisation entsteht, wird verdreifacht, wenn im Bühnenhintergrund ein weiteres Video eingeblendet wird.
Nach der ersten Sequenz in schwarz-weiß hebt sich der Videoscreen und die Tänzer führen ihre geometrischen Anordnungen in bunten Overalls fort. Es beginnt eine faszinierende Erforschung des leeren Bühnenraums und des individuellen Bewegungsrepertoires, denn diese TänzerInnen (allesamt AbsolventInnen der Schule von Anne-Teresa De Keersmaeker, P.A.R.T.S.) sind glänzend aufeinander eingestimmt. Sie sind wie ein leeres Blatt, auf das sie ihre Bewegungsmöglichkeiten schreiben. Befreit von Schablonen, die das tanztechnische Training dem Tänzer oftmals aufdrückt, setzen sie quasi beim Nullpunkt an. Die abgewinkelten Posen und gebrochenen Linien wirken dabei stellenweise sogar linkisch. So ist das Grand jeté en l’air, das Hauert mehrmals einsetzt, nach klassischen Standards ein dilettantischer Versuch zum großen Bravour, und gleichzeitig das beste Beispiel für sein Forschungssystem. Es ist in sich virtuos, verzichtet aber auf erlernte oder übernommene Attitüden und scheint aus dem natürlichen Bewegungsempfinden der Tänzerkörper zu kommen.
Das hervorragende Team der Compagnie ZOO verkörpert dieses in einem ständigen Fluss von subtilen Veränderungen, in Drehungen, Sprüngen und Posen. Dick van der Harst hat dazu ein eindringliches und vielfältiges Arrangement für Instrumentalmusik und Stimmen komponiert, das von den elektronischen Klängen des Sound Designers Peter Van Hoesen ergänzt wird und ebenso wie das Lichtdesign von Jan Van Gijsel präzise auf die Choreografie abgestimmt ist.
Es ist diese Genauigkeit, die die Wirkung von Thomas Hauerts Arbeit ausmacht, die er „als Liebeserklärung an den Tanz als Form, Sprache und Handwerk“ versteht. Der Charme aber entsteht aus dem spielerischen Element, das in dieser Improvisation-Choreografie immer deutlich spürbar ist.
Thomas Hauert /ZOO: "You've Changed", 26. November 2010
Weitere Aufführung: 27. November 2010