Silke Grabinger ist Norma Jean Baker. Gemeinsam mit dem Choreografen Roderich Madl hat sich die als Breaktänzerin ausgebildete Künstelerin auf die Suche nach dem Menschen hinter der Kultfigur Marilyn Monroe gemacht. .
Die Wimpern klimpern, die Lippen sind zum Kuss geschürzt, der Sekt perlt im Glas, die Gliederpuppe hebt die Arme, die Gelenke knacken und knarren. Zierlich trippelt sie auf dem roten Teppich nach vorn: „Happy Birthday to you!“. Marilyn Monroe, wie wir sie kennen, Marylin Monroe, wie sie auch in den Köpfen jener vorhanden ist, die nie einen Film mit der Diva gesehen haben.
Die ehemalige Breakdancerin Silke (Silk) Grabinger ist diese Kopie einer Attrappe, dieses Kultbild mit blondem Lockenhaar und hochhackigen Sandaletten. Gemeinsam mit Roderich Madl (Silk & Pilottanzt) hat sie sich auf die Suche nach dem Menschen hinter der Kultfigur gemacht und eine Frau gefunden, die nie aus dem vorgefertigten Rahmen herausgetreten ist, die ihre Wünsche und Sehnsüchte nie ausgelebt hat, die leblose Ikone bleiben musste, weil die Medien, ihre Fans und Manager, die Welt der Konsumentinnen und Voyeure es so wollten.
Grabinger zeigt Norma Jean Baker (Geburtsname der Monroe) in den Seilen hängend. Als Breakdancerin beim Cirque du Soleil hat sie bereits in Las Vegas eine Kurzfassung der Gegenüberstellung von Marylin auf dem Catwalk und Norma Jean in den Lüften gezeigt, für den Posthof wurde ] KILS [ nun mit Roderich Madl zu einem 45minütigen Tanzprogramm ausgearbeitet.
Nahezu zehn Minuten (länger ist physisch unmöglich und gefährlich) hängt Silk als Norma Jean an zwei Drahtseilen und zeigt mit sanft schwingenden Bewegungen ein verletzliche, zerbrechliches Wesen, das mit der Ikone MM wenig zu tun hat. Weder keck noch sexy, weder verführerisch noch naiv ist diese sanfte Frau, die sich nach etwas sehnt, das sie nicht ausdrücken kann, das sie nie bekommen wird. Dann steht wieder Marylin vor uns, betreut von Conferencier Didi Bruckmayr. Weißer Staub rieselt auf sie herab, immer grauer, immer älter wird die strahlende Figur, bis sie als Mumie zusammensinkt, vom gnadenlosen Betreuer einfach samt ihrem roten Teppich hinausgeschleift wird. Der Mohr hat seine Arbeit getan.
Dem Conferencier ist nicht nur die Rolle des Betreuers und Managers von Marylin zugeteilt sondern auch die Rolle des Shakespeareschen Narren. Als wär’s ein Extempore darf er sich über die Künstler verachtenden Praktiken von Linz 09 und den Umgang mit Künstlern und der Kunst generell auslassen und den allgemeinen Geldmangel beklagen. Das amüsiert, doch Marylin / Norma Jean berührt, geht unter die Haut, macht traurig und betroffen. Ein Abend, so kurz wie intensiv, den ich so schnell nicht vergessen werde.
] KILS [, Posthof, 10. April 2010