Es wimmelte nur so von Neubesetzungen. Die Wiederaufnahme des vierteiligen Programms „Schritte und Spuren“ an der Wiener Staatsoper bietet sich offensichtlich als Probelauf für junge Tänzerinnen und Tänzer an, die sich in den Choreografien von Jiri Kylian und seinen Epigonen Jiri Bubenicek, Jorma Elo oder Lightfoot/Leon in kleinen Solorollen bewähren können.
Vorstellung 30. November (Edith Wolf Perez)
Das Wiener Staatsballett hat ja bekanntlich einen Fundus an jungen Begabungen, auch wenn die meisten von ihnen noch Reifezeit brauchen. Und so sorgte an diesem Abend der „Neuen“ ein „Alter“ für das Highlight. Eno Peci hat sich nicht nur den Bewegungsduktus von Jiri Bubenicek in „Le Souffle de l’Esprit“ ganz zu eigen gemacht, sondern versieht diese abstrakte Choreografie mit einem erzählerischen Esprit, und führt sie damit eine neue Dimension. Dieses Flair steht einsam im Raum, auch wenn die anderen SolistInnen (Emilia Baranowicz, Reina Sawai, Mihail Sosnovshi, Maxime Quiroga) und das Ensemble tadellos tanzten.
Auch Jorma Elos „Stop – Glow“ war hervorragend gestanzt, es ist aber nach Bubeniceks Stück nicht ideal platziert, da das Konzept und das Tempo der beiden Choreografien zu ähnlich sind und „Le Souffle de l’Esprit“ durch seine auf dem Prospekt projizierten Kunstwerke den stärkeren Eindruck hinterlässt.
„Skew-Whiff“ ist ob seines klamaukhaften Charakters ein schwieriges Stück. Kiyoka Hashimoto, Dimitru Taran, Marcin Dempc tanzten es zum ersten Mal und erreichten (noch) nicht die Pointiertheit der Premierenbesetzung, von der nur Mihail Sosnovshi mit von der Partie war. Trotz einiger Unschärfen entfaltete Kylians „Bella Figura“ auch an diesem Abend seine volle Schönheit, Oxana Kiyanenko und Martin Szabó fielen hier besonders auf.
Dass die Stimmung an diesem Abend etwas gedämpft blieb, ist aber nicht den TänzerInnen anzulasten. Man vermisste das Orchester, und es wäre schön, wenn wenigstens Teile diese Progamms an der Wiener Staatsoper mit live Musik begleitet würden.
Vorstellung 2. Dezember (Ditta Rudle)
Auch in der zweiten Vorstellung der Serie muss Peci die Krone aufgesetzt werden. Im Trio mit Roman Lazik und Maxime Quiroga hatte er als Einziger den "Atem des Geistes" und stellte damit auch die Solistinnen, die elegante Ketevan Papava und die Halbsolistin Kiyoka Hashimoto in den Schatten. Sonst aber hinterließ das Eröffnungsstück des vierteiligen Abends, Jiri Bubeniceks "Le Souffle de l'Esprit", einen etwas unruhigen Eindruck.
Trost spendete danach das Repertoirestück "Glow – Stop" (Jorma Elo), das vor allem im zweiten Teil (zum 2. Satz aus Philip Glass' "Tirol Concerto for Piano and Orchestra") von den Ersten Solotänzerinnen Maria Yakowlewa, Irina Tsymbal, Liudmila Konovalova, Nina Poláková sowie Dagmar Kronberger (Halbsolistin) und dem Corps-Mitglied Andrea Neméthová mit Kirill Kourlaev, Alexis Forabosco, Vladimir Shishov, Alexandru Tcacenco, Kamil Pavelka, Igor Milos, die ebenfalls mit den Rollen längst vertraut sind, flüssig und voll Animo getanzt wurde. Das glühende Rot der Kostüme animierte auch das Publikum, das nach der besinnlichen, etwas pathetischen Choreografie Boubeniceks dankbar zum Leben erwachte.
Am Planet der Affen konnten sich Mihail Sosnovschi, Davide Dato und Andrey Kaidanowsky so richtig austoben. "Skew-Whiff" zur leider furchtbar scheppernden Musik von Gioacino Rossini (Overtüre zur "Diebischen Elster") ist ein Stück, das das Publikum lieben muss: Akrobatik und Erotik, Körperpräsenz und Humor können nicht unberührt lassen. Ioanna Avraam bietet mit schlemischer Leichtigkeit den nötigen Kontrast zu den sich selbst darstellenden hinreißenden Männchen. Angefeuert von Sosnovschi schafften es auch die beiden sichtlich vergnügten jungen Tänzer die Grenze zur platten Posse nur zu streifen, niemals jedoch zu überschreiten.
Dass in Jiri Kyliáns "Bella Figura", dem Höhepunkt des Abends, zwei Tänzerinnen (Maria Alati, Alena Klochkova) und Tänzer (Alexandru Tcacenco, Alexis Forabosco) ihr Rollendebüt hatten, war nicht zu erkennen. Nahtlos fügten sie sich in das erfahrene Ensemble (Ketevan Papava, Marie-Claire D'Lyse, Irina Tsymbal / Vladimir Shishov, Roman Lazik) ein und zeigten mit Anmut ihre bella Figura. Das Ende der magisch poetischen Bilderserie in vollkommener Stille schlug das Publikum so in Bann, dass sich ausnahmsweise auch die übereifrigen Vorklatscher zurückhielten. Erst als der Vorhang den Bühnenboden berührt hatte und von Shishov nicht eine zitternde Fingerspitze mehr zu sehen war, dankte es mit kräftigen Applaus und freudigen Hochrufen.
Wiener Staatsballett: „Schritte und Spuren“ am 30. November und am 2. Dezember 2011, Wiener Staatsoper
Letzte Vorstellungen dieser Saison am 5. Dezember 2011.