„revue intim“ der Playing Mums und „man(n) wird mensch“ der Gebrüder Lirsch, zwei Stücke an einem Abend im Kosmostheater, in denen es um Befreiung von weiblichen und männlichen Rollenklischees gehen soll. Während Erstere mit den Mittel der Revue spielen, setzt „man(n)“ ganz auf Pädagogik.
Auf der Bühne ein Schlagzeug. Dahinter ein junger Mann in schwarzem Anzug. Oder eine Frau, die ein junger Mann sein könnte. Für Kurzsichtige verrät spätestens ein Blick ins Programmheft: Birgit Michlmayr, eine Frau, gibt eine „Parodie“ eines klassischen Schlagzeugers. Man kennt sie aus der queeren Kitsch Punk Band „First Fatal Kiss“, deren Spezialität verzerrter Bass, 80er-Jahre-Orgelsound und Schlagzeugteile aus den letzten fünf Jahrzehnten sind.
Auf der anderen Seite der Bühne befindet sich ein Tisch mit drei Stühlen, darauf Manuskripte, Wein und Mineralwasser. Drei Frauen setzen sich, das Gespräch kommt schwer in Gang: „Wichtiges Thema“, „politische Dimension“, „sich zusammenfinden.... sich trauen“ aus den Wortfetzen lässt sich nur eines klar definieren – das Thema scheint brisant. Durch eine Einblendung erfahren wir den Grund für die Aufregung: Es handelt sich um ein „Orgasmusplenum 2011“. Die Skripten auf dem Tisch sind Protokolle eines ebensolchen Plenums aus dem Jahr 1975: „Wir waren wieder hinausgefahren in das kleine Haus in Niederösterreich, wieder bepackt mit Unmengen von faschierten Laberln und viel, viel Wein – wir wussten schon warum: wir wollten über unsere eigene Sexualität sprechen. (...) Aber erst sehr spät , als die Köpfe schon schwer waren , die Wangen gerötet, und die Gedanken schon etwas verwirrt, begann plötzlich eine zu erzählen...“
Es geht heiß her an diesem Abend der Playing Mums, wenn Stellungen auf dem Boden rekonstruiert werden und nach und nach der Wein die Sprache sehr konkret werden lässt. Susanne Schudas Projektionen tun das Weitere, wir sehen ein Video, das durch ein - medial manipuliertes - Zungenspiel der drei Frauen (nicht jugendfreie) Assoziationen weckt. Dazwischen erwacht die Revue – Songs mit erhellenden Texten wie „Ich möchte so richtig saftig sein, prall wie Obst im August“ - oder es wird philosophiert z.B. über Simone de Beauvoirs Ansatz, dass man nicht als Frau zur Welt kommt, sondern erst dazu gemacht wird. Eine der Figuren sagt lapidar: „Ich will alle meine Möglichkeiten ausschöpfen und auf ein starres Selbstbild, als auch Außenbild pfeifen. Alle Löcher ins Spiel führen. Nehmen und genommen werden.“
Der zweite Teil des Abends wird von den Montessori-Pädagogen Philipp und Stefan Lirsch bestritten. „man(n) wird mensch“ wurde ursprünglich für ein Symposium entwickelt und wird seither u.a. in Schulen und Jugendzentren aufgeführt. Die Brüder widmen sich der männlichen Sozialisation, die anhand der seit zirka drei Jahrzehnten durchgeführten Selbst(!)- und Fremdbeobachtung und anhand von Statistiken erforscht wurde. Veranschaulicht wird fürs Publikum auch am Publikum, die Zuschauer werden geschickt zur Teilnahme an einer statistischen Befragungen animiert. Befragt wird zu Gewalterfahrungen, oder wer mit Vater oder Mutter Gespräche über Sex geführt hat. Das Ergebnis hält sich im Bereich von 95 zu fünf Prozent zugunsten der Mutter. Auch die Frage, wer in letzter Zeit onaniert habe, wird bereitwillig (oder eher mangels Alternativen) durch Stehenbleiben oder Niedersetzen beantwortet.
Am Schluss geht „man(n)“ aus sich heraus und lässt die Hüllen gänzlich fallen. Nackt wie Gott sie geschaffen haben mag, contact-improvisierend und sich selbst bestaunend klingt der Abend unter Beschallung durch Phrasen wie: Nicht wie schön oder richtig – sondern wie viel Mensch man(n) gewesen sei, zähle letztendlich.
„Intim2“ im Kosmos-Theater am 8. Dezember 2011
Weitere Vorstellungen bis 17. Dezember