In einer Zeit, da im Tanz häufig burlesker Trash oder grüblerische Analyse praktiziert wird, scheint Georg Blaschkes „figure 5“ wie von einem anderen Stern. Uraufgeführt in der Klagenfurter Theater Halle 11 atmet das Werk den Geist der Moderne, der an Tanz als globale Utopie eines friedlichen Zusammenlebens glaubt.
Die spartanische Ausstattung ist vollständig auf die fünf Körper des blutjungen, internationalen Ensembles fokussiert. Man tanzt auf einer rechteckigen Fläche, die an einen überbreiten Laufsteg erinnert. Das Saallicht bleibt durchgehend eingeschaltet, wodurch das sich gegenübersitzende Publikum zum Hintergrund wird, vor dessen statischer Körperlichkeit die Tänzerinnen und Tänzer dynamisch agieren. Trotz Gruppengleichklang durch die business-affinen Hemden und Hosen (Graphik/Bühnendesign: Thomas Rhyner), herrscht keine geschlechtslose Uniformierung. Die Individualität wird über Größe, Statur, Haarfarbe oder Hautbeschaffenheit definiert.
Kongenial unterstützt vom pulsierenden Elektrosound Ulrich Troyers webt Blaschke eine transparente Choreografie des Lebendig-Werdens. Dramaturgisch an die klassische Dreiteilung eines Sonatenhauptsatzes angelehnt, tanzt sich das Ensemble von einer leisen Exposition, über eine komplexe Durchführung bis zur kraftvollen Reprise.
Eingangs verwringen die Fünf ihre Körper sanft, als würden sie ihre Knochen innwendig ölen. Langsam kommen sie in Bewegung und bilden amorphe Figurenkonstellationen. Immer wieder blitzen Posen der Heilserwartung auf, etwa wenn die Gruppe mit diagonal, nach oben gereckten Armen sekundenlang erstarrt. Postwendend bricht Blaschke das aufkeimende Pathos durch Körperzuckungen und Alltagsgesten. Aus zufälligen Berührungen entstehen verzweigte Duos und Trios mit breitem Körperkontakt, die Leonie Bockelmann, Nikoletta Korkos, Kanako Sako, Pawe? Dudu? und Hygin Delimat eindrucksvoll bewältigen. Bevorzugt greifen sie sich gegenseitig auf Hinterhaupt, Stirn oder Gesicht, als müsste man den Kopf festhalten, um den Restkörper vital bewohnen zu können. Welche Vitalität in ihnen steckt, beweisen sie in der dynamischen Schlusssequenz zu den anschwellenden, tranceartigen Musikrhythmen.
Mit seinem vermeintlich altmodischen Zugang, den Körper als tatkräftig und willensstark zu zeigen, bläst Blaschkes „figure 5“ einen hoffnungsvoll-frischen Wind in die zeitgenössische Tanzlandschaft des Brüchigen und Reflexiven.
Georg Blaschke „figure 5“, Halle 11 in Klagenfurt am 2. November 2012
Dieser Artikel ist ein Originaltext der Kleinen Zeitung vom 3. November 2012