Von der politischen Bewegung zur politischen Persönlichkeit. Auf den Spuren des Polit-Comedian Lenny Bruce, einer Kultfigur der Freiheitsbewegungen in den 60er-Jahren, führt Regisseur Yosi Wanunu als Showmaster mit Pailletten-Sakko humorvoll und geistreich durch den Abend. Toxic Dreams erwecken das Lebensgefühl der 60er Jahre auf der Bühne: mit ihrer Mode, ihren Tänzen, ihren Liedern und TV-Formaten. Politisch erwachte eine Zeit, in der sich „die Minderheiten“ – vor allem Frauen, Schwarze und Latinos - nach und nach ihrer Rechte bewusst wurden. Der Aufstieg John F. Kennedys in diesem Umfeld zum Polit-Star wird von Toxic Dreams klug und reich an verspielt vermittelten Details in Szene gesetzt und von verschiedensten Seiten betrachtet.
The Medium is the Message. Kennedy brachte „Farbe“ in die politische Welt. Beim Präsidentschaftswahlkampf 1960 ließ er – sonnengebräunt und indem er nicht den Gegner, sondern die Fernsehzuseher direkt durch die Kamera ansprach - seinen republikanischen Kontrahenten Richard Nixon neben sich verblassen. Sein politischer Gegner hatte in der immer wichtiger werdenden Welt des Fernsehmediums zu wenig Glamour-Faktor. Toxic Dreams inszenieren und rekonstruieren Reden, Debatten, Interviews und Verhöre - auf Video an die Wand projiziert oder live auf der Bühne. Veranschaulicht mit an Schnüren hereingezogenen Möbeln aus Pappe und zuweilen auch mit intelligent und witzig eingesetztem Geschlechterrollen-Tausch. Ein ganzes Heer von weiblichen Geliebten Kennedys in rosa Chanel-Kostümen à la Jackie Kennedy und ein Heer von JFK`s im schwarzen Anzug, spielen das gesamte Rollen-Repertoire dieses Polit-Krimis, den das Leben schrieb, kurzweilig - mit Lust an Verfremdungseffekten - nach.
Viele Details machen die Aufführung zu einem facettenreichen Erlebnis, in dem historische Ereignisse aufgearbeitet werden – auch mit aufschlussreichen Blicken auf bis heute nachwirkende Verschwörungstheorien, die mit Hilfe von aufgezeichneten Video-Interviews an Originalschauplätzen durchaus launig vermittelt werden. Und als Tatzeugen können die Zuschauer schließlich, in unmittelbarer Nähe eines Kennedy-Pappmaschee-Cabriolets, den rekonstruierten Tathergang quasi „aus der ersten Reihe“ und selbst Fähnchen schwenkend erleben. Das Motto des sehr sehenswerten Abends: „History is very strange, you never know how it turns out.“
Toxic Dreams: “The Big Event (Director`s Cut)”, am 8.12.2012 im WUK, noch zu sehen 11., 12., 14. und 15. Dezember 2012, 20h