Auch wenn das tänzerische Solo des Ballettchefs der Grazer Oper Darrel Toulon den viel erwarteten Höhepunkt des heurigen Festivaltages bildete, so war es doch keineswegs das Einzige, was es an diesem Sonntagnachmittag und –abend im Kulturzentrum bei den Minoriten zu entdecken gab. Das diesjährige Tanzfestival tanz schritt weise, von Eveline Koberg umsichtig kuratiert, erwies sich als hochkarätige Talentebörse.
Darrel Toulon hat den Schritt zurück auf die Bühne gewagt – als Tänzer. Dabei hat er sich keine einfache Aufgabe gestellt: Sein Thema war der Wahnsinn. Ausgangspunkt dafür waren die Tagebucheintragungen von Vaslav Nijinsky, in denen der Tänzer seine Krankheit quasi protokolliert hat. Der Fokus von Catherine Guerin, der Choreografin des etwa 30-minütigen Stückes „Schiz“, lag dabei aber ganz auf der Bewegung. Wie reagiert der Körper, wenn der Geist nicht mehr unter der Kontrolle des Handelnden ist? Darrel Toulon ist eine sehr reife und berührende Übersetzung seelischer Ausnahmezustände gelungen. Er macht seine Auseinandersetzung mit Krankheit, Schizophrenie, Wahnsinn spürbar ohne in Klischees abzugleiten. Das Ergebnis ist ein sehr dichtes und konzentriertes Stimmungsbild über psychische Ausnahmezustände mit einem hoffnungsvollen Ende.
Auch die „Einspringerin“ an diesem Festivaltag Yukie Koji überzeugte mit ihrer konzentriert-stringenten Performance. Innerhalb von zwei Wochen erarbeitete sie mit dem Regisseur und Choreografen Hanspeter Horner eine strukturierte Improvisation, um die ursprünglich programmierte Aufführung von Anna Heins „Die Schwimmerin“ zu ersetzen. Chapeau!
In der Soloperformance „Extreme Makeover – Culture Clash“, einer Zusammenarbeit der deutschen Tänzerin Katharina Maschenka Horn und des albanischen Choreografen Gjergj Prevaz, wird der Wunsch nach Verwandlung, nach dem Anderssein geschickt in ein Zustandbild der albanischen Kulturpolitik überführt. Maschenka Horn ist eine ungemein wandlungsfähige Tänzerin/Performerin, und führt in humoristischen Bildern die Tendenz in unserer Gesellschaft vor, sich in etwas (jemanden?) Anderes zu verwandeln – wie das in diversen TV-Formaten vorexerziert wird. Sie mutiert von der braven Deutschen zum sexy Model, vom millionenschweren Fußballer zum populistischen Politiker. Witzig und frech dringt diese Performance dabei Schicht um Schicht tiefer in (albanische) kulturpolitische Realitäten ein.
Außergewöhnlich und einzigartig das slowenische Duo Rosana Hribar und Gregor Lustek mit einem Pas de deux über ihre Beziehung. Der Titel „Stirinajst * Fourteen“ verweist auf 14 Jahre Lebensgeschichte, die die beiden beruflich und privat miteinander teilen. Es beginnt mit einem Tango und das ist die absolut richtige Musik für eine Beziehung, die durch Leidenschaft und Machtkämpfe einerseits und perfekte Harmonie andererseits gekennzeichnet ist. Rosana Hribar und Gregor Lustek gaukeln keine romantische Seligkeit vor, sondern zeigen ihr Miteinander mit allen Ecken und Kanten und das in einer Körpersprache und mit einer Dynamik, die beim Zuschauen tatsächlich den Atem zum Stocken bringt.
tanz schritt weise am 21. April 2013 im Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz.