Der Punk-Ballerino der 1990er Jahre, der quasi sex, drugs and rock’n’roll auf die Bühne holte, ist zahm geworden. Nun verbindet Michael Clark schlicht und einfach seine klassische Bewegungssprache in Raumkonstellationen à la Cunningham mit Pop Musik. Das Ergebnis von „come, been and gone“, gezeigt im Festspielhaus St. Pölten, ist ein Reminiszenz auf die Musik der 1970er und 80er Jahre.
Michael Clark war seinerzeit immer für ein Skandälchen gut. Gerne trug er seine homosexuelle Lebensart zur Schau, und dass er vorhat, das Leben vollmundig zu genießen. Der Ikonoklast des klassischen Balletts vermochte mit trashiger Mode, Tanz auf Plateausohlen, nackten Hinterteilen oder laut dröhnender Rockmusik vor allem das britische Establishment zu schockieren. Bald nach seinem choreografischen Debut 1982 wurde der Zwanzigjährige zum Shooting Star der britischen Tanzszene, denn der Zögling der Royal Ballet School und Mitglied des Ballet Rambert war nicht nur ein geschickter Komponist von Bewegungsmaterial, sondern vor allem ein außergewöhnlicher Tänzer. Prägende Erfahrungen waren unter anderen ein Ferienkurs bei Merce Cunningham und John Cage in New York, und die darauf folgende Zusammenarbeit mit der amerikanischen Punk-Ballerina Karole Armitage.
Bei aller Provokation wich er in seinen Choreografien jedoch kaum von den Regeln der klassisch-akademischen Schule ab. Und er ist ihr bis heute treu geblieben – wie auch der Pop-Musik. Die jugendliche Rebellion hat der mittlerweile 51-jährige natürlich schon längst zurückgelassen. Nun kann man sich ganz auf das Bewegungsidiom konzentrieren, das seine Kraft vor allem aus dem Gegensätzlichen zieht.
Bei „come, been and gone“ benützt Clark die Musik (von Wire, Iggy Popp und David Bowie) als Dialogpartner und antwortet auf schnelle Beats mit langsam- kontrollierten Bewegungen. Das führt stellenweise zu einem außerirdischen Effekt, oder erinnert an einen Drogenrausch. Die in Ganzkörpertrikots gekleideten TänzerInnen erscheinen wie ferngesteuert und bauen, auch in pas de deux, keine Beziehung zueinander auf.
Zu dieser Bewegungssprache hat Clark nicht die berühmten Hits der Pop-Legenden gewählt , sondern Songs, die der choreografischen Stimmung zuträglich sind. Eine Ausnahme ist Bowies berühmtes „Heroes“, wo das Promotion-Video auf die Bühnen-Rückwand projiziert wird. Dabei tritt der Tanz völlig in den Hintergrund.
Zum Song „The Jean Genie“ wird die Kontrolle allerdings fast schmerzvoll. Denn auch wenn die TänzerInnen in virtuosen Sprüngen und Drehungen über die Bühne fegen, tritt dabei keine Ausgelassenheit hervor und sie sind von Bowies Aufforderung „let your hair down“ weit entfernt.
Von dem dreiteiligen Stück waren in St. Pölten aufgrund der Verletzung einer Tänzerin nur zwei Teile zu sehen. Sie vermittelten einen guten Eindruck von Clarks Ästhetik, die die sechs TänzerInnen (Harry Alexander, Melissa Hetherington, Jonathan Olivier, Oxana Panchenko, Benjamin Warbis und Simon Williams) mit Präzision und technischer Stärke ausführen.
Michael Clark Company: „come, been and gone“ am 4. Mai 2013 im Festspielhaus St. Pölten.