Bereits zum fünften Mal gastierte Kanazawa Butoh Kan aus Japan in Graz, doch diesmal war es ein besondere Zusammenarbeit, die auf der Bühne im Dom im Berg zu erleben war. Neben dem Chef und Leiter der Companie, dem Choreographen und Tänzer Moe Yamamoto, der Choreographin und Tänzerin Kei Shirasaka und den beiden jungen Tänzern Takuya Matsumoto und Lui Yamamoto waren neun TänzerInnen aus Österreich und Kroatien beteiligt.
Ermöglicht wurde das Projekt wiederum durch die Steirische Kulturinitiative, bei der Herbert Nichols-Schweiger für die gesamte Programmgestaltung verantwortlich zeichnet. .Daher auch dafür, dass diese Präsentation, die er als Hauptproduktion in seinem 20. Programmjahr für die Steirische Kulturinitiative bezeichnet, zustande gekommen ist. Besteht sie doch zu dem, was die japanischen Künstler an hoher Butoh-Qualität zu bieten haben, zusätzlich aus deren Zusammenarbeit mit neun Tänzerinnen aus Österreich und Kroatien; auch dies erfolgt nicht zum ersten Mal, ist aber deswegen nicht minder außergewöhnlich. Die Einbeziehung von den zum Großteil schon länger an dieser Ausdrucksform Interessierten und dafür Engagierten ist in einer für die Profitänzer vertretbaren Weise dennoch nur dadurch möglich, dass seit dem Frühjahr 2012 eine vorbereitende Zusammenarbeit zwischen den japanischen Künstlern und den regionalen bestand: in Form von Basis- Übungen und Anweisungen sowie Anleitungen zu Schrittfolgen über Email-Kontakt. Die eigentliche Probenarbeit in Graz begann am 11.Mai und bestand bis zur Premiere am 27.5. täglich aus sieben Stunden.
Das performative Ergebnis „Nehmt ihnen nicht ihre Freude“ basiert auf einem im Frühjahr 2011 von Moe vorgeschlagenen Thema: dem der Erinnerung - einer unfreien, einer verschütteten und/oder verleugneten, die unser Unterbewusstsein be- und er-drücke und seiner Befreiung bedarf. So in etwa jedenfalls (auch nach) zu lesen auf dem Flyer. Und genau so sehr gut nachvollziehbar – in unmittelbarer, weil in vor allem assoziativ anregender Weise, jeden und jede betreffend. In dieser Interpretation ist viel an künstlerischer Freiheit möglich, denn wer weiß schon, wie Erinnerungen sich gebärden, wenn sie erst los gelassen… : auf jeden Fall ANDERS als das, was wir im Alltag erfahren; und die hierzu angebotenen Bilder sind zum Teil großartig.
Von den Beteiligten vor Ort muss hier Klaus Seewalds Interpretation als herausragend, ja großartig bezeichnet werden; auch Mark Hellgoth gewinnt nach anfänglichem Simplifizieren an überzeugender Ausdruckskraft. Bemerkenswert auch der immer wieder gute Übergang, das gute Zusammenspiel von Solo- und Gruppenszenen.
Auch wenn „Kunst heute transnational funktioniere“ (Romuald Karmakar kürzlich in Zeit-online) und dies stärker als oft angenommen auch für Butoh gilt, ist Moes Butoh-Interpretation eine sehr originäre, eine eigenständige. Auch, weil sie eine zutiefst traditionelle ist, da er sich seinem großen Vorbild Meister Hijikata sehr verbunden fühlt; ihm, der andererseits über Butoh meint: „Unmöglich, dieses ganz persönliche Erlebnis lehren und lernen zu wollen.“ Und der nachdrücklich „die Notwendigkeit der Interpretation von Butoh in einer dem jeweiligen Künstler subjektiv entsprechenden Weise“ ergänzt. Dieser Aufforderung kommt das Duo Moe/Kei in ihrer gemeinsamen Arbeit durchaus nach, da etwa Kei einen Blick nach vorne, zu Neuem also, einbringt.
So kann und sollte es auch als Freiheit des Denkens und vor allem als Freiheit der Kunst angenommen werden, wenn in einem späteren Text der japanischen Künstler zu dieser Produktion eine um vieles konkretere thematische Basis angeboten wird: Nämlich die der Welt von alten, oft allein gelassenen Menschen, deren Deutung von Erinnerung und deren damit zusammenhängendes Verhalten zu wenig Akzeptanz, wenn nicht sogar Verurteilung erfahre; eine Intoleranz, die hier bewusst gemacht werden soll.
Das Interesse an dieser Veranstaltung groß war: Gegen 120 Zuseher bei der Premiere, noch mehr bei der zweiten Aufführung. Und nun ist die Gruppe in Vorbereitung auf einen Auftritt am 4. Juni in Moldawien.
Kanazawa Butoh Kan: „Nehmt ihnen nicht ihre Freude“ am 27. Mai 2013 im Grazer Dom im Berg. Eine Initiative der Steirischen Kulturinitiative