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monniermathildeMathilde Monnier / Centre Choregraphique National de Montpellier erforscht in „Twin Paradox“ mit fünf Tanzpaaren wechselnde Zeitstrukturen: Inspiriert von den Tanzmarathons in den USA der 1920er Jahre und den auch heute wieder höchst beliebten Swing-Tänzen wie Lindy Hop, Jitterbug oder Shim Sham, erkor die Choreografin den Paartanz zu ihrem Forschungsobjekt. Jerome Bel hat mit dem Schweizer Theater HORA „Disabled Theater“, eine zu Recht vielbeachtete Arbeit geschaffen, in der Menschen mit Behinderungen ihren Platz auf der Bühne – und die Herzen der ZuseherInnen – im Sturm erobern.

Höchst kurzweilig verdichtet Mathilde Monnier die verschiedenen Phasen und Tempi des Marathontanzens – bis eine/r der TänzerInnen erschöpft am Boden bleibt. "Bis zum bitteren Ende", war das Motto der Tanzmarathons und Monnier zeigt Muster und Formationen des Ballroom-Dance: Paare, deren Tanz manchmal vom Kampf um den Sieg in einen Kampf miteinander auszuarten scheint. Auf einem Tanzboden aus orangefarbenem Metallgitter scheinen sie alles rund um sich auszublenden und in eine eigene Realität zu entgleiten. Ganz auf sich selbst und ihren Partner konzentriert entsteht ein Spiel mit der Zeit, in dem schnell und langsam, miteinander und gegeneinander getanzt und auch die vertikale Ebene – Höhe und Tiefe – maximal ausgeschöpft wird. Sie springen einander an, werfen einander zu Boden, liegen übereinander und schleifen einander mit.

„Mich interessiert dabei der Tanz, der sich seine eigene Welt schafft und eine eigene Dramaturgie der Dauer entwickelt, die der Echtzeit entkommt“, das ist der Ansatz aus dem Monnier eine eigene faszinierende Ästhetik kreiert, die Elemente des Swing aufgreift und in verfremdete Bewegungsmuster einbaut. Kongenial verschmilzt der Tanz mit Luc Ferraris Soundlandschaft aus Alltagsklängen, Stimmen und Teilen von Beethovens Schicksalssymphonie. Wie ein Gewebe aus durchziehenden Erinnerungsfetzen erweitern die Klänge die Bilder atmosphärisch und dehnen und verdichten tänzerische Phasen auch akustisch.

Konzeptualist Jerome Bel hat mit „Disabled Theater“, das 2013 zum Berliner Theatertreffen geladen war, eine Arbeit mit klaren Strukturen geschaffen: Seine sechs kurzen Anweisungen an die elf DarstellerInnen des Theater HORA führen aber zu manch Überraschung bei der Umsetzung auf der Bühne. Während die erste Anweisung noch zu Beklommenheit auf beiden Seiten führt, so erfolgt doch schon eine erste Annährungen an die höchst unterschiedlichen Persönlichkeiten, wenn die SchauspielerInnen sich eine Minute auf der Bühne den Blicken der ZuseherInnen aussetzen. Fragen, die dabei entstehen mögen, werden in den nächsten Anweisungen auf den Punkt gebracht: Die SchauspielerInnen stellen sich einzeln dem Publikum vor, nennen ihren Namen, ihr Alter, ihren Beruf, ihre Behinderung und wie es ihnen damit geht.

Während die 20-jährige Miranda, die an einer Lernschwäche leidet, wünscht, dass sie ihr Problem nicht hätte, aber damit leben kann, beginnt Julia, die mit Down Syndrom zur Welt gekommen ist, zu weinen. Lorraine nennt sich selbst „fucking mongo“ und sagt es tue ihr weh. Als sie jedoch zu selbstgewählter Musik – von Disco-Sounds über Trommelmusik, Techno, Schlager und Jazz – abgehen wie Raketen - auch als Background-TänzerInnen und nicht nur bei ihren Solos – fliegen ihnen rückhaltlos die Herzen zu. So tanzt Julia steinerweichend zu Michael Jackson`s „They don`t care about us“ oder Lorraine zu ABBA`s „Dancing Queen“.

Als sie zuletzt dann auch ihre Meinung über Jerome Bel`s Stück kundtun, sagt der 22-jährige Damian, er habe es gemocht, er habe dabei gut meditieren können, denn er praktiziere Qi Gong. Julia performt einen Wunsch in Form des Justin-Bieber-Songs „Baby“, dessen erste Zeile lautet: „You know you love me, I know you care“. Das Publikum applaudierte lange und heftig - zu Recht.

Mathilde Monnier / CCN Montpellier „Twin Paradox“, 29.7.2013 im Volkstheater Wien

Jerome Bel & Theater Hora „Disabled Theater“, 30.7.2013 im Akademietheater

Veranstaltungen von ImPulsTanz 2013, www.impulstanz.at

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