Akemi Takeya hat ihr Solo „Feeler“ zu einen Pas de trois erweitert und Nikoletta Korkos und Veronika Zott eingeladen, mit ihr die Grenzen der eigenen Wahrnehmung zu überschreiten. Mit Hilfe von Glasfiberstäben versuchen sie ihre Balance zu finden und, gegen den Uhrzeigersinn rotierend, Raum und Zeit aufzuheben. Eine artifizielle, beeindruckende Choreografie.
Stille. Dunkelheit. Drei Linien aus Licht kreuzen einander auf der weiß ausgelegten Bühne. Unhörbar treten die drei Frauen auf, balancieren die Stäbe auf den Köpfen, drehen sich nahezu unmerklich um sich selbst. Anfangs sind es nur die Augen, die sich bewegen. Ein schönes, trotz der vorsichtigen Bewegung, beruhigendes Bild. Ganz weiß in Hose und Hemd sind die Drei gekleidet, eine hellblaue Krawatte schmückt die Lichtgestalten. Wenn es dunkel wird, leuchten die weißen Figuren. Die Glasstäbe erinnern an das beeindruckende Solo Takeyas, das sie im Dezember 2006 im dietheater/Künstlerhaus und bei ImPulsTanz 2007 gezeigt hat.
Akemi Takeya hat sich für ihre neue Choreografie Schwieriges, Akrobatisches, äußerste Konzentration Forderndes, vorgenommen. Und, um es gleich vorwegzunehmen, es ist gelungen. Nach der Uraufführung im Schauspielhaus im Rahmen von ImPulsTanz hat sie die Choreografie gerafft und geschmeidiger gemacht und zu einem stimmigen Stück verarbeitet. Die Präzision der drei Tänzerinnen ist unnachahmlich. In mehreren „Runden“ werden unterschiedliche Übungen ausgeführt. Eine bekommt einen zufällig gewählten Befehl, eine zweite verdoppelt den Versuch. Da muss über die Stäbe gesprungen werden, die „Fühler“ werden in die Luft geworfen und mit dem Rücken aufgefangen, liegend, kniend, kopfüber wird gearbeitet. Mit sanfter Stimme werden die „Vorschläge“ gemacht, nicht immer gelingt die Ausführung, doch am Ende, wenn wieder das wiederholte „I am ready“ erklingt, finden sich alle drei wieder zusammen, heben die „Fühler“ hoch, sodass sie ein geschlossenes Ganzes, eine Triangel, bilden, Mit einem Knall lassen sie die glänzenden Stäbe übereinander fallen, zum sechszackigen Stern.
Nicht nur Muster und Ornamente. Der menschliche Faktor ist nicht zu verleugnen. Das Scheitern ist Teil der Performance. Wenn im Duo die eine sagt, sie sei bereit, widerspricht die andere: „Nein, wir sind noch nicht bereit.“ Das Ende ist rasant, auf dem Boden liegend schnalzen die Tänzerinnen ihre Körper im Uhrzeigersinn im Kreis. Immer wieder, bis zur Erschöpfung. Am Ende bildet sich ein Knäuel aus Armen, Beinen, Köpfen, sie brauchen keine „Fühler“ mehr, um über den Körper hinaus auch die anderen wahrzunehmen.
Takeya, die immer wieder auch Texte dichtet, reflektiert an diesem gelungen Abend ebenso über das Wesen der Choreografie: „Ist Choreografie ein Entwurf von Formen und Mustern, eine Sammlung von Ornamenten?“ Klare Antwort: „Nein.“ „Oder ein spezielles Geschenk nur für dich?“ Auch diese Frage wird negiert. Klar, der Körper dient als Medium, um innerhalb des künstlerischen Prozesse eine Mitteilung zu machen, Choreografie stellt Fragen der Ästhetik und schränkt auch auf einem hohen Niveau Verhalten und Bewegung der Mitwirkenden ein. Nach vielen Fragen, nach Zustimmung und Ablehnung, die letzte Frage: "Oder ist Choreografie etwas ganz anderes?“ "Ja!"
Imeka /Akemi Takey: „(anti)*Clockwise“, mit Nikoletta Korkos und Veronika Zott, Licht: Martin Schwab. Palais Kabelwerk, 11. September 2013.