Lehrmeister Petipa. In seiner Vielschichtigkeit und choreographischen Bandbreite ist das neue Programm des Bundesjugendballetts klug konzipiert. Den acht Tänzern dieser jungen Compagnie bietet es die Möglichkeit, verschiedene Stilrichtungen und Techniken auf der Bühne auszutesten und zu probieren. Und genau darin liegt ja auch Sinn und Zweck einer Nachwuchscompagnie.
Das in Hamburg ansässige Bundesjugendballett besteht seit der Spielzeit 2011/12. Da die Tänzer nur für jeweils zwei Jahre im Ensemble bleiben können, hat es gerade den ersten Wechsel gegeben. Zu der neuen Besetzung gehören Jemina Bowring, Sara Coffield, Maria del Mar Hernández, Madoka Sugai (die 2012 den Prix de Lausanne gewinnen konnte), Nicolas Gläsmann, Yehor Hordiyenko, Luca-Andrea Tessarini und Hélias Tur-Dorvault. Sie alle sind zwischen 19 und 21 Jahre alt und haben ihre Ausbildung abgeschlossen, vier von ihnen waren in der Hamburger Ballettschule von John Neumeier.
Für den Beginn des fünfteiligen Ballettabends wurde ein Auszug aus „Raymonda“ ausgesucht. Es gebe nichts Wertvolleres als ein Ballett von Petipa, um sich den künstlerischen Herausforderungen des klassischen Tanzes zu stellen, begründet Kevin Haigen, der künstlerische und pädagogische Leiter des Bundesjugendballetts, die Wahl. Petipas Stil sei so zart und grazil; es gehe darum, den Körper durch Proportionen und Harmonie sprechen zu lassen. Das klappt auch schon sehr gut. Selbst wenn es natürlich noch ein paar Unsicherheiten gibt, so meistert der Nachwuchs die anspruchsvollen choreographischen Vorgaben. Technisch wie auch darstellerisch.
Gleiches gilt auch für den zweiten, nicht ganz so klassischen Klassiker des Abends. In neu entworfenen Kostümen (Sonja Kraft) zeigen Madoka Sugai und Nicolas Gläsmann als Hermia und Lysander sowie Maria del Mar Hernández und Luca-Andrea Tessarini als Helena und Demetrius eine Szene aus Neumeiers „Sommernachtstraum“. Es ist eine betont ernsthafte, vorsichtige Annährung an die beiden berühmten Liebespaare Shakespeares. Intensiv und nuancenreich, aber auch angenehm zurückhaltend.
Zwei der gezeigten Stücke sind Uraufführungen. Zu der von Aike Errenst arrangierten Musik suchen die Tänzer in ihrer Gemeinschaftschoreographie nach einer, wie sie sagen, persönlichen und eigenen Körpersprache. Acht beleuchtbare, nach vorne offene Kästen stehen auf der Bühne. Rückzugsort und Ausgangspunkt für jeden der Tänzer. In Wiederholung werden Texte vom Band abgespielt und einzelnen Auftritten zugeordnet. Dramaturgisch ist dieses Debüt noch nicht vollkommen ausgereift, aber wunderbar präzise und engagiert getanzt. Es macht Freude zu sehen, wie die Tänzer sich als harmonische Gruppe präsentieren, gleichzeitig jedoch Solo- und Pas de deux-Szenen nutzen, um Konturen und Akzente zu setzen.
Die Choreographie der zweiten Uraufführung stammt von Marc Jubete, Tänzer beim Hamburg Ballett. Er war schon im vergangenen Jahr, beim vierten Aufschwung-Abend, mit einer eigenen Choreographie dabei. Zur Musik von Hughes de Courson und gleichfalls einem Arrangement von Aike Errenst beschäftigt er sich mit den unterschiedlichen Schichten von Emotionen. Das Stück setzt sich aus Soli, Paar- und Gruppenszenen zusammen, wobei es vor allem die Duette sind, die überzeugen können. Manche Aktionen bleiben fragmentarisch und isoliert im Raum stehen, mitunter läuft die Struktur der Choreographie noch etwas auseinander. Trotzdem aber können die Tänzer auch hier hervorragend zeigen, dass sie flexibel mit verschiedenen Bewegungskonzepten umzugehen vermögen.
Den Abschluss bildet Sasha Rivas „Thankful“. Riva, ebenfalls beim Hamburg Ballett, möchte, dass die Tänzer ihre eigenen Gefühle und Erfahrungen in sein Stück hineingeben. Und so schließt der erste große Auftritt des neuen Bundesjugendballetts damit, dass die acht Tänzer ein Mikrofon von einem zum anderen reichen und sich dem Publikum vorstellen. Eine schöne Idee. Und ein Ballettabend, der Lust auf viele weitere Auftritte dieser sympathischen Gruppe macht.
Bundesjugendballett „Im Aufschwung V“ am 18. November 2013 im Hamburger Ernst Deutsch Theater
Weitere Auftritte des Bundesjugendballetts: Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling: 28. bis 31. März 2014. Zusammen mit dem Bundesjugendorchester auf Deutschlandtournee: 20. April 2014 Baden-Baden, 21. April Essen, 25. April Köln, 2. Mai Hamburg, 4. Mai Berlin
Podium Festival Esslingen: 5. bis 11. Mai 2014