In der neuen Folge der Serie „The Perfect Garden“ lädt Chris Haring drei Tänzerinnen und einen Tänzer zum üppigen Gastmahl. Michel Blazy hat den Tisch gedeckt, nicht nur Obst und Gemüse sind arrangiert, auch Flöhe und Seeanemonen tummeln sich im Wasserglas. "Deep Dish" ist eine barocke Installation – in opulenter Schönheit an die Vergänglichkeit des Daseins gemahnend.
Die Tafel wird gedeckt. Knollen und Wurzeln, Blätter und Blüten, blau schimmern die Beeren der Weintraube, Wein und Wasser und am Schluss Teller und Besteck. Partyverpflegung. Stephanie Cumming, Katharina Meves und Anna Maria Nowak sind die sichtbaren Teilnehmerinnen, Sounddesigner und Komponist Andreas Berger sorgt für die Hintergrundmusik (samt Gelächter, Geplapper, Insektengesumm und Georg Friedrich Händel, barock eben.). der Tänzer Luke Baio ist zwar auch als Gast geladen, hat aber zusätzlich die Aufgabe, die Videokamera zu führen, um das Mahl bis ins kleinste Detail der im Glas hüpfenden Wasserflöhe und elegant schwimmenden Larven auf der großen Projektionsfläche im Bühnenhintergrund zu spiegeln, optisch zu kommentieren.
Viel Technik ist da eingesetzt, um die Tänzerinnen inmitten eines Urwalds aus Kohl und Kraut erscheinen zu lassen und aus ein paar Salatblättern in einer mit Wasser gefüllten Schüssel einen kreisenden Kosmos entstehen zu lassen. So faszinierend sind die gezoomten und in Zeitlupe gezerrten Bilder, dass ich ganz vergesse, dass unten (auf und unter dem Tisch) die TänzerInnen live agieren. Die Realität auf der Bühne, die ohnehin keine ist, sondern ein Schauspiel, wird auf der Videowand doppelt irreal, surreal sogar. Das anfangs manierliche Speisen artet bald zum großen Fressen aus, zum tierischen Schlingen und Schmatzen, Mampfen und Mantschen, Würgen und Reißen. Immer wieder mutiert das schöne Gastmahl zur Orgie, die Tafel wird zum Lotterbett, die Gliedmaßen verwickeln sich, die Körper wachsen zusammen, fallen wie im Kaleidoskop zu Bildern mit Déjà Vu-Effekt. Höhepunkte sind keine vorgesehen, durch Loops und sich wiederholende Module bleibt die Szene stecken. Mögliche Endpunkte (etwa der großartige Simulation der Galaxien) werden übergangen. Kluge Gedanken kommen mir keine. Ich bin von der computeranimierten Parallelwelt gefesselt, in der Soundmaschine gefangen. Im Programmheft steht, dass vom Wachsen und Werden, von Schönheit und Vergänglichkeit erzählt wird und sich alles, was im Mikrokosmos vor sich geht, im Makrokosmos wiederspiegelt. Oder umgekehrt? Wie auch immer, die Bilderflut, die Luke Baio live erzeugt, ist überwältigendes Kino. Allein, deshalb bin ich nicht gekommen.
Liquid Loft / Chris Haring: Deep Dish. The Perfect Garden Series. 12. Dezember 2014, Tanzquartier.
Weitere Vorstellungen: 13. 12, mit Einführung um 19.45 Uhr. 14.12. 2014