Theater ist nicht demokratisch. Insofern ist es eigentlich erstaunlich, dass The Loose Collective bisher so stringente Performances wie „Here Comes the Crook“ und „The Old Testament According to the Loose Collective“ in einem kollektiven Arbeitsprozess auf die Bühne gebracht hat. Doch in der neuen Produktion „The Game Game“ fehlt offensichtlich der Chef, der die Fäden in der Hand hält.
Es beginnt mit einem endlosen Zurechtrücken der Mikrofonständer. Die fünf PerformerInnen drehen, heben, senken und spielen mit den Geräten herum – ernsthaft, ausdruckslos, ungefähr zehn Minuten. Manchmal meint man, die Dinger sollen vielleicht einen Phallus oder ein Fitnessgerät symbolisieren, aber das hilft auch nicht weiter.
Nachdem die Ständer weggeräumt sind, setzt die Musik ein. Im Laufe der Stunde wird sie sich zu einem kolossalen Soundteppich entwickeln, dem das Geschehen auf der Bühne ärmlich gegenübersteht. Denn die Musik von Guenther Berger und Stephan Sperlich schreit nach Hollywood Cinemascope-Bildern. Doch die PerformerInnen üben sich in (demokratischem) Minimalismus. Jeder sagt einen Satz ins Mikrofon und führt sein persönliches Bewegungsmotiv vor. Ein zweiter kommt dazu und hilft ihm/ihr höher zu springen, weiter zu gleiten oder schneller zu gehen (Teamspiele) oder hemmt die Bewegung (kompetitive Spiele). Dazwischen filmt das iPad mit. Simultan aufgenommene oder eingefrorene Szenen erscheinen auf der großen Leinwand, die die Bühne dominiert. Einmal geben die fünf auch ein Lied zum Besten – da kommt wieder ihre Musikalität, die die früheren Stücke so spannend gemacht hat, durch, aber aus dem Zusammenhang gerissen, verliert auch das seine Wirkung.
Bevor die p.t. Herrschaften im Publikum sanft ins Reich der Träume gleiten, rast jauchzend ein Nackter auf die Bühne und verschwindet ebenso schnell wieder.
Mit Wattebahnen werden die Grenzen eine Wettkampfarena markiert . Das Bewegungsmaterial von vorhin wird wiederholt, die Spiele werden ein bisschen fieser – foul play. Dann setzen sich die PerformerInnen die Watte als Masken auf das Gesicht, während sich Marta Navaridas vor dem iPad zu Tränen zu rühren versucht.
Bisher war intelligentes, scharfsinniges Entertainment das Markenzeichen des Loose Collective. Die Nähe zum Musical hat die Gruppe ausgezeichnet. Die bisherigen Arbeiten setzten markante Kontrapunkte in der allgemeinen Fadesse der Performance-Szene.
„The Game Game“ aber ist eine willkürliche, wenig interessante Aneinanderreihung von Aktionen und Videoaufnahmen geworden, ein zäher Brei zu einem großartigen Soundscape. Die Auseinandersetzung mit Spielen, wie sie im Titel impliziert und im Programmheft vom Dramaturgen Guy Cools angesprochen wird, kratzt nicht einmal an der Oberfläche eines spannenden Themas (das übrigens zunehmend auch die Kognitionswissenschaften beschäftigt).
Am (lange verkündeten) Ende von „The Game Game“ wird alles aufgeboten: Nebel, Licht und ein monumentaler Song. „It’s over now“ singen alle. Epic! Das anschließende Feuerwerk wird mit kleinen Gesten in Stille vorgeführt – eine nette Idee. Doch nach 60 langen Minuten verpufft der Aufwand ins Leere.
„How do you feel“, fragt Anna Novak kurz vor Schluss. Weil Theater eben nicht demokratisch ist, schweigen wir. Doch die Antwort lag mir auf der Zunge: „Ziemlich vera …“.
The Loose Collective „The Game Game“, TQW, Halle G am 25. April 2014