Sein Körper ist von Schichten überzogen: der Schicht der Kolonialmacht Portugal, der Schicht der Volksrepublik Mosambik und schließlich auch jener der demokratischen Republik. Darunter liegt aber noch eine Schicht: die des Stammes, aus dem sein Vater stammt. In seinen „Marrabenta Solos“ entledigt sich Panaibra Gabriel Canda einer Schicht nach der anderen – und zurück bleibt ein gebrochener Körper.
Panaibra Gabriel Canda ist der bekannteste Choreograf seines Landes. In Europa hat Panaibra seinen Weg gefunden, hier wurde er für seine Arbeit auch schon mehrfach ausgezeichnet. In Afrika versucht er sein Wissen für die Entwicklung der lokalen Kunstszene nutzbar zu machen. Nach seinen Tanzstudien in Europa hat er in Mosambik das Kulturzentrum und Produktionshaus CulturArte aufgebaut, um die lokale Tanzszene mit Produktionen und Ausbildungsprojekten zu fördern.
Es liegt also auf der Hand, dass Panaibra Gabriel Canda sich mit seiner Identität, seinen Wurzeln und den kolonialen und postkolonialen Überlagerungen beschäftig, ist doch all das nicht nur Teil seines Lebens, sondern auch Teil der Geschichte seines Landes. Panaibra Gabriel Canda tut dies nüchtern. Wie in einer Lecture Demonstration streift, schüttelt oder stampft er die Identitäten des Portugiesen, des Kommunisten, des Afrikaners ab, seinen Stammeskörper, seinen ritualistischen Körper, seinen schwarzen Körper. Der "assimilierte Körper" tanzt graziös zu einem Fado. Doch auch er muss weichen und dem kommunistischen Körper Platz machen, der sich mit Märschen und Stampfen seinen Weg bahnt. „Mein Körper ist meine geliebte Heimat“, sagt er am Ende, als er alle Schichten abgelegt und auf dem Boden liegend das Ich gefunden hat. Doch dieses Ich kann die Knochen und Muskel nur noch schwer koordinieren und kriecht am Ende auf allen Vieren daher.
Mit „The Marrabenta Solos“ bringt Panaibra Gabriel Canda eine eindrucksvolle Metapher des afrikanischen Traumas auf die Bühne. Sein Körper wird zum Sinnbild eines Landes, eines Kontinents. Panaibra agiert distanziert, analytisch und ohne Pathos. Begleitet wird er dabei vom großartigen Gitarristen Jorge Domingos, der auf seinem Instrument die Bandbreite der Marrabenta-Musik, einer Fusion aus mosambikanischem und protugiesischem Folk mit Rockelementen, und damit ebenfalls die Geschichte des Landes, reflektiert.
Panaibra Gabriel Canda: "The Marrabenta Solos" , Wiener Festwochen im brut im Künstlerhaus, Premiere am 17. Mai 2014, weitere Vorstellungen: 18. bis 20. Mai