„Guintche“ ist der Name eines Vogels, oder bedeutet Prostituierte. Das kreolische Wort steht aber auch für eine Person, die ohne Angst vor den Konsequenzen lebt, die handelt ohne an die Vergangenheit oder Gegenwart zu denken. Diese drei Bedeutungen will Marlene Monteiro Freitas in ihrem gleichnamigen Solo verkörpern. Was als schamanisches Ritual beginnt, endet in Ratlosigkeit.
Zu Beginn meint man eine Arena zu betreten. Auf der Bühne hängt ein Punching Ball. Marlene Monteiro Freitas ist in einen Kapuzenmantel, wie ihn die Boxer in den Pausen zwischen den Runden anhaben, gehüllt. Sie legt ihn ab, betritt den Lichtkreis in der Mitte der Bühne und beginnt zu einem Schlagzeug-Loop (vom Band) ihre Hüften zu kreisen. Diese Bewegung wird sie dreißig Minuten lang beibehalten. Dazu zieht die auf den Kapverden geborene und in Brüssel und Lissabon ausgebildete Tänzerin ein fulminantes Minenspiel ab. Der Mundschutz, den Boxer im Mund haben, beult ihre Unterkiefer aus, dann schiebt er sich als Riesenlippen über den Mund der Performerin, schließlich wird er zur Zunge, die abfällt. Die Augen rollen wild. Montero Freitas beruft sich dabei unter anderem auf die Expressivität der Werke von Franz Xaver Messerschmid oder Goya. Immer heftiger werden die mimischen Aktionen, während das kreisende Becken den Rhythmus beibehält. Die Hände stecken in Handschuhen mit Krallenmuster, ihre Gesten verwandeln die Tänzerin in ein Tier, das seine eigenen Pfoten verschlingt. Wie in einem animalistisch-schamanischen Ritual scheint die Ausführende von einem Dämonen erfasst zu sein und nimmt die ZuschauerInnen mit in ihre Trance.
Im zweiten Teil verlässt sie den Kreis. Sie entledigt sie sich der bunten Teile ihres Kostümes: silberne Shorts, über die sie eine lila Federboa geschlungen hat und eine rote Bluse. Wie eine rhythmische Gymnastin ist sie nun mit einem Trikot (allerdings mit durchsichtigem Oberteil) bekleidet. Ihre Aktionen werden ruhiger, sie tritt nahe ans Publikum, aber der Bann ist gebrochen. Die Geschichte, die sie uns im ersten Teil so eindringlich erzählt hat, hat ihren Faden verloren.
Marlene Monteiro Freitas: „Guintche“ bei den Wiener Festwochen im brut im Künstlerhaus am 22. Mai. Letzte Vorstellung am 25. Mai.