Zwei sehr unterschiedliche Darbietungen waren im Kasino am Schwarzenbergplatz zu sehen. Die bereits erfahrene Künstlerin Geumhyung Jeong erzähle in einer Lecture Performance von ihrer Liebe zu einer Baggermaschine. Die junge Choreografin Rosalind Goldberg ließ Anne-Mareike Hess ein fremdes Wesen, „Mit“, tanzen. In beiden Werken war der Fokus auf den Körper, wenn auch nicht den gewöhnliche, gerichtet.
Die in Stockholm und Berlin lebende Norwegerin Rosalind Goldberg, die demnächst das MA Programm Choreografie am HZT (Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz ) in Berlin beenden wird, hat "MIT" erfunden, eine künstliche Figur, getanzt von Anne-Mareike Hess, die sich in einem fiktiven Raum bewegt, nicht auf das reagiert, was ist, sondern auf das, was sein könnte.
Hess mit gelber Plastikperücke und silbrig raschelndem Kostüm ist eine durch und durch artifizielle Figur, die sich mit unbewegten Gesicht und leeren Augen wie eine Marionette bewegt, gegen unsichtbare Feinde kämpft und ebensolche Wände rennt, fast in sich zusammenfällt, aber niemals aufgibt. Eine faszinierende Puppe, vor allem, weil nicht klar ist, was sie als nächstes tun wird. Und es sind nur geringe Irritationen, die sie zu einem Alien machen. Goldberg will keine Geschichte erzählen, sondern den Körper aus seiner Fassung bringen, ihn neu erfinden. MIT ist die Sklavin der Choreographie, nicht sie bewegt sich, sie wird von der Choreographin bewegt. Eindrucksvoll und auch verwirrend.
„Oil Pressure Vibrator“, die Video unterstützte Erzählung der Südkoreanerin Geumhyung Jeong über eine Frau, die sich entschließt Hermaphrodit zu werden, um ihre Sexualität unabhängig mit sich selbst genießen zu können, ist ein Festival geprüftes Stück. Schon 2009 war die Künstlerin mit der minutiösen Aufbereitung einer ungewöhnlichen Lebens- und Liebesgeschichte beim Experimentica Festival in Cardiff, Wales zu Gast und ist es seitdem bei jeglichem künstlerischen Festival.
Jeong sitzt also vor ihrem Computer an einem kleinen Tischchen, auf der leeren Bühne döst ein Helm, auf der Videowall rekelt sich ein Körper unter Tüchern in Ives-Klein-Blau. Fast feierlich ohne viel Emotionen berichtet Jeong das Ungewöhnliche, während sie die Geschichte mit tagebuchartig aneinandergereihten Fotos und kurzen Videos illustriert. Auf die Dauer wird der Hermaphroditin die Sexualität in der Doppelgeschlechtlichkeit langweilig und Jeongs erfundene Frau (oder ist sie es tatsächlich selbst?) sieht sich nach neuen Stimulatoren um. Sie verschaut sich in eine riesige Baggermaschine und ersehnt von dieser das höchste Glück: den Tod im Orgasmus. Dafür muss sie die harte Schule einer Baggerführerin durchlaufen, doch sie lässt sich nicht entmutigen. Am Strand als Frau aus Sand wartet sie auf die sich langsam nähernde Liebesmaschine, deren riesiger Kolben endlich sein Ziel findet und der Sandfrau höchstes Glück und endgültige Zerstörung beschert. Währenddessen spielt die echte Jeong mit einem Spielzeugbagger, den sie unter dem Helm hervorgezaubert hat. Eine etwas zu akribisch aufbereitete Erzählung über die Spielarten der Erotik, weniger erotisch als amüsant.
Geumhyung Jeong: „Oil Pressure Vibrator“,
Rosalind Goldberg / Anne-Mareike Hess: „ MIT“
21. Juli 2014, Kasino am Schwarzenbergplatz. Im Rahmen von ImPulsTanz [8:tension]. Weitere Vorstellung im Doppelpack: 23. Juli.