Alles dreht sich um das Teilen, um seine Negativ-Variante „ I prefer not to…share!“. Allein, das, was Intendantin Veronika Kaup-Hasler bei der Eröffnung in der Listhalle mit-zu-teilen hatte und was daraufhin an Programmvielfalt angeboten wurde, verdient un-geteilte Aufmerksamkeit; ob man die erfahrenen (Meinungs-)Äußerungen nun teilt oder nicht.
Die Immanenz des Phänomens „ share“ im Politischen und Gesellschaftlichen ganz allgemein, in der medialen Kommunikation im Besonderen machte Kaup-Hasler mit ebenso lockerem wie kritischem Ton bewusst: „…im Ernstfall…dann doch lieber nicht“.
Auf die ersten künstlerischen Reaktionen (von 140 Projekten aus 45Ländern) zum ausgegebenen Leitmotiv war man entsprechend gespannt; als Erstes und zur Eröffnung am Freitag in der berstend vollen List-Halle auf die „legendäre“ Needcompany und ihre „All Tomorrow’s Parties I+II“:
Vorweg wurde einmal tänzelnd singend (eingespielt auch als Text auf 2 Leinwänden) klargestellt: „What we don’t want to share is worthless“ und, dass „to question beauty and truth“ Aufgabe eines Künstlers sei. So weit, so gut. Nach Volks-Philosophischem über den leeren Raum (© Peter Brook) begann man sich auf Performatives zu konzentrieren: auf „alles bewegt sich“ - immer chaotischer, exzessiver, bedrohlicher. Letztlich dem Untergang geweiht: Alle, alles werden von einem Zelthaus „aufgesogen“, das Unnotwendige (Kleidung) wieder abgesondert, entsorgt. Der Rest ist der Mensch „an sich“, kaum mehr als eine Menge Gegängelter, Getriebener. Aber, wie uns der Clown lehrt, der sich auf einer Scheibe mit erhobenem Daumen wieder und wieder mit Sätzen, endend auf „…is good“ dreht. Da kommt neben Witzigem oder Sinnlosem schon auch so was wie Kritik auf, zum Beispiel wenn nach „stranger“ eine längere Pause folgt, bis „is good“ ergänzt wird und wenn er letztendlich nur mehr mit eingefrorener, lächelnder Pose sich dreht und dreht – nach einem gemeinsamen, „schönen“ Lied aller Künstler, frei nach: The show must go on. Nun ja, so in etwa kann man es darstellen, das verbreitete Spektakel als Spektakel. Aber/und was war meine Erkenntnis…?
Als 2. Teil der „Party“ folgte ein 40minütiger Bilderreigen, live und über Video um einen expressiven Ton-Kreator und Initiator. Zahlreich die Assoziativ-Potentiale auch hier; eher tiefer greifend als im ersten Teil, weil weniger exzessiv überbordend, nicht wirklich überzeugend oder neu im Erkenntniswert allerdings auch sie. Ok, wir wissen, was wir nicht tun, nicht sehen, nicht verstehen (wollen), …nicht teilen – „open your minds“ lautet es im Folder deshalb vielleicht auch simpel; einen Minispalt breiter ist’s unter Umständen beim einen und anderen geworden.
Rashad Newsome verfolgt seit gut 10 Jahren die Idee zu seinen „Shade Compositions“. Hierorts war Derartiges noch nicht zu erleben und bot als „Shade Graz, 2014“ in Zusammenarbeit mit hier lebenden Menschen aus Armenien, Ghana, Kamerun, Nigeria, Polen, Serbien als Uraufführung ein Konzept, das als solches und auch über weite Strecken überzeugte. Basierend auf visuellen und akustischen Alltagsformeln präsentieren der „Dirigent“ und seine hinter Mikrophonen postierten Darsteller polyrhythmische Ton-Bewegungs-Choreographien als Abbilder dessen, was, zum Teil kulturell konnotiert, an Lauten und Gesten der Kommunikation dient; in dieser, vom Kontext abgelösten Aufbereitung sind sie quasi ins Abstrakte geschickt und damit Anlass zu einem Perspektivenwechsel für den Rezipienten. Dieser interessante Aspekt, unterstützt von größtenteils geloopter Aufbereitung, verliert allerdings durch seine konstanten, langausgedehnten Wiederholungen und letztlich geringen Variationen insgesamt mit der Zeit an Spannung. Schärfung und gegenseitige Abgrenzung der Kompositionsstrukturen wären eine Hilfe bzw. Bereicherung.
Dass die Regisseurin, Choreographin und Performerin Maria Hassabi 2013 an der Biennale in Venedig teilnahm, ist nach dem gezeigten „Tableau vivant“ inhaltlich wie qualitativ gut nachvollziehbar: Ihr „Premiere“ erzählt von der Schönheit und Intensität konzentrierter Langsamkeit, vom kurzzeitigen, sensiblen Abtasten, von Nähe und Ferne zum anderen, vom Im-Fluss-Sein und den Veränderung und vom Bei-Sich-Sein. Dass dieses auch als Ankämpfen in Minibewegungen und Zeitlupe gegen den Untergrund und die (Licht-)Wände interpretierbare Werk erst „durch die Erwartungshaltung der Besucherinnen und Besucher … zu einem Kunst-Werk“ werde, wie Hassabi im Programmfolder schreibt, mag man angesichts des Erlebten kaum glauben. Und dass die eine oder andere Frage offen bleibt, tut der nachhaltigen Wirkung dieser Arbeit auch keinen Abbruch - nicht zuletzt getragen von der feinen Bewegungsqualität und der Bühnenpräsenz jedes Einzelnen.
Steirischer Herbst: Grace Ellen Barkey / Jan Lauwers / Needcompany "All Tomorrow’s Parties I + II", Herbst-Eröffnung am 26. September in der Helmut List Halle Graz (Uraufführung); Rashaad Newsome "Shade Graz, 2014" am 27. September im Orpheum;
Maria Hassabi "Premiere" am 28. September im Dom im Berg