Bunt schillerndes Perpetuum mobile. Mit festem, doch ungeduldig kurzem Applaus endete die Premiere von Boris Charmatz‘ Choreografie „Levée des conflits“, eine Produktion des Musée de la Danse, wie sich das von Charmatz geleitete Choreografiezentrum von Rennes nennt. Das Werk für 24 Tänzer der Jahrgänge 1962 bis 97 von unterschiedlichster künstlerischer Prägung fordert Kondition, nicht nur von den Akteuren, sondern auch vom Publikum, bei dieser Österreich-Premiere in der ausverkauften Halle G im Wiener Mumseumsquartier.
Charmatz lässt das von Laure Fonvieille in lässig bunte Trainingsklamotten gekleidete Ensemble ein strenges, nur scheinbar chaotisches Ritual vollziehen. Der Mensch, der Künstler, durchlebt seine Existenz vom ersten Gehversuch über euphorische Höhenflüge bis zum röchelnden Niedergang und vielleicht doch Wiederauferstehung, in unterschiedlichen Bewegungsphasen. Die Tänzer beginnen aus dem Zuschauerraum kommend nacheinander, autistisch, irgendwo auf der Bühne. Die 25-teilige Bewegungsabfolge bleibt an die zwei Stunden lang stets die Gleiche: Sitzen und Boden wischen, wackelige Krabbelphase gefolgt von Aufrichten, mechanischen Arm- und Beinmustern, Hüpfen, Springen, Drehen. Mit vielen Zwischenstufen und ein paar zufälligen ‚Konflikten‘, die schnell wieder aufgehoben – levés – sind. Der Soundmix ( Henriy Cowell, Conlon Nancarrow, Helmut Lachenmann, Morton Feldman) mit Auszügen von unter anderen David Banner, Miles Davis oder Terror Squad reicht von fad bis fetzig. Dass hier ein Stück als Kanon der Bewegung, dem keiner entrinnen kann, entsteht, hat der Zuschauer nach wenigen Minuten kapiert. Doch Charmatz hat hier Tanz als bunt pochendes Perpetuum mobile geliefert, das jedes vermeintliche, von Yves Godin in wunderbares Licht getauchte Schlussbild wieder auflöst … So dauert, nicht zuletzt auf Grund der sparsamen choreografischen Einfälle, die Sache – ewig; knappe zwei Stunden werden gefühlte vier.
Boris Charmatz :„Levée des conflits“, Österreichische Erstaufführung am 14.November 2015 im TQW