Ganz unprätentiös nennt Kanako Sako ihr Minifestival im Theater Brett „das fünfte“. Der „Bühnenkunstverein fifoo“ bietet damit zum fünften Mal jungen Tanz- und Performance-Künstlerinnen eine Plattform neue Choreografien zu zeigen. Ein besonderes Anliegen ist der Tänzerin, Choreografin und künstlerischen Leiterin von fifoo, das Zusammenführen asiatischer und europäischer Performancekunst.
Das diesjährige „Fünfte“ stellte vor allem Tanz und Performance aus Asien in den Mittelpunkt. Eröffnet wurde jedoch mit einem Blick auf das noch unfertige Werk der Wienerin Julia Danzinger. „Polyphonic Lab“ nennt sie den Versuch, sich mit Johann Sebastian Bachs Fugen (aus dem wohltemperierten Klavier ) auseinanderzusetzen. Den ersten Versuch starte sie heuer im Rahmen von TanzTag14 (tanz.coop im WUK), im Rahmen von fifoo „das fünfte“ hat sie ihre Arbeit voran getrieben. Über ein „work in progress“ zu urteilen, ist nicht fair.
Das Hauptstück des ersten Abends war zeitgenössischen japanischer Performance gewidmet, wobei der Choreograf und Tänzer Heki Atsushi sich in vielen Bewegungen und mit den prächtigen Kostüme (als Bühnendekoration funkelte ein goldschimmernder No-Kimono im Hintergrund) an traditionelles japanisches Tanztheater hielt. Im Duett mit Imamura Tatsunori erzählte er eine Geschichte vom Warten und zu früh / zu spät kommen, von Begegnung, Missstrauen und Freundschaft. Sehr anschaulich und plastisch und natürlich für das Wiener Publikum auch wunderbar exotisch.
„Narukamina“ (Narukami ist der Name des für den Sommerregen verantwortlichen Donnergottes) ist en berühmtes Kabuki Stück, aufgefrischt und als heutiges Tanztheater gezeigt. Vorangetrieben wird die Performance durch die Musiker Siwat Homkam und Jakhapan Boonlor, die knapp vor der Vorstellung aus Bangkok herbei geflogen waren. Sie erzählen und akzentuierten die Geschichte vom Fruchtbarkeitsgott, der seine Zeit verschläft und erst im Winter eintrifft – kein Statement zum Klimawechsel sondern ein altes Japanisches Märchen – und so dem Schnee eine Begegnung mit dem Sommerregen ermöglicht, mit an Computer angeschlossenen Elektrogitarren, die einen speziellen teils lautmalerischen Sound erzeugen, der sich als dritte Komponente zu den beiden in ihren Bewegungen unterschiedlich agierenden Tänzer-Darstellern gesellt.
Den zweiten Abend bestritt der junge südkoreanische Tanzstar Moon Suk Choi mit seiner schon im Vorjahr als „work in progress“ angedeuteten Performance „Going Below“. Mit ausgefeilte Lichtdesign (Hyun-Ju Kwak, Svetlana Swin) fühlt er sich mit dem gesamten Körper in die Welt von Alzheimer Kranken oder an totaler Amnesie leidenden Menschen ein. Total heißt, der Betroffene weiß weder wer er ist, noch wo er ist, er hat vergessen, wozu seine Beine und sein Kopf dienen. Moon Suk Choi schont sich nicht, zeigt nicht nur den nahezu unbrauchbaren Körper sondern auch den verrückten Geist, dem die Realität verlorengeht. Er versucht sich die Zähne auszubrechen und Papier zu essen, baut mit Büchern einen Turm und versucht seine Ängste und die Finsternis, die ihn immer wieder verschwinden lässt, durch Summen und Murmeln zu vertreiben. Im Gefängnis der Leere taumelt er über die Bühne, rollte sich zusammen und streckt sich wieder, ohne ein Ziel zu haben oder zu sich selbst zu finden. Am Ende zeigt er seinen von blutigen Striemen gemarterten Körper und verschwindet im Dunkel.
Ein beeindruckendes Stück in drei Akten, mit anfangs unstrukturierter elektronischer Musik, später in beklemmender Stille getanzt und am Ende das Aufgeben zur überaus traurigen Teremin-Version des „Song of Grusia“ (ein in die Populärmusik eingegangenes von Rachmaninow vertontes Puschkin-Gedicht), mit dem der Künstler eine Diskussion über den Gedächtnisschwund, für ihn eine Krankheit der Zeit, anregen möchte.
fifoo – „die fünfte“, gesehen am 25. und 26. November 2014, Theater Brett.
Die letzte Vorstellung der Reihe zeigt alle drei hier besprochenen Stücke und eine Installation von Atsushi Heki. 29. November 2014, Theater Brett. Performancebeginn: 18 Uhr.
Am 30. November leitet Atsushi Heki im Tanz*Hotel ein Workshop für traditionelle japanische Tanzkunst („Nihon-Buy?“) und seine Choreografie „Nurakamina“. Anmeldung um 16.30, Beginn 17 Uhr.