Mit dem Team des Dschungel (Theaterhaus für junges Publikum) hat Regisseurin Julia Burger Hans Christian Andersens Märchen von der „Schneekönigin“ mit Tanz und Schauspiel in einen zauberhaften Theaterabend umgesetzt. Musik, Licht und vor allem die Ausstattung von Sabine Ebner machen das Stück zu einem an Effekten reichen Tanztheater-Abend für Kinder ab sechs.
Ein Wintermärchen mit Musik. Schneeflocken wirbeln, Sterne blitzen, Blumen sprießen und die sprechenden Raben breiten die Flügel aus. Gerda (Anna Lisa Grebe) macht sich auf die Suche nach ihrem von der Schneekönigen verführten Freund Kai (Steve Schmidt). Blumen, Vögel, ein Rentier, der Fluss, das einsame Räubermädchen und eine Prinzessin, die zugleich ihr Prinz ist (noch einmal der junge Schauspieler Steve Schmidt) helfen ihr dabei.
Eindringlich hat das junge Team das bekannte Märchen umgesetzt und dabei den Schwerpunkt weniger auf das Märchenhafte der Geschichte gelegt (das kommt durch die Ausstattung, durch Musik und Licht zur Geltung) als auf die Entwicklung der Hauptperson Gerda, ihren festen Willen, durch Dick und Dünn zu gehen, um ihren durch den Splitter eines vom Teufel zerbrochenen Spiegels gefühllos gewordenen und ins eisige Schloss der Schneekönigin eingeschlossenen Herzensfreund Kai zu finden. Das gelingt ihr auch. Etwas abrupt ist der offene Schluss. Wie es Gerda wirklich gelungen ist, Kais zu Eis erstarrtes Herz zum Schmelzen zu bringen, müssen die Kinder selbst enträtseln.
Mit nur sechs DarstellerInnen / Tänzerinnen gelingt es Regisseurin Burger und Ebner das Märchens vom Erwachsenwerden auf ihre Weise zu interpretieren, von Freundschaft und Mut, von Hilfsbereitschaft und Sehnsucht nach Liebe zu erzählen, ohne dem Dichter Andersen einen Tort anzutun. Rund um Grebe und Schmidt gruppieren sich Rino Indiono, Steffi Jöris, Maartje Pasman und die Einspringerin Aleksandra Corovic in Mehrfachrollen, sind Chor und ErzählerIinnen, weiße Schneeflocken und bunte Vögel, schäumender Fluss, vierrädrige Kutsche und Räuberbande. Der schnelle Kostümwechsel wird mit Bravour gewältigt.
Burger, ausgebildet am Schauspielhaus Zürich, inszeniert mit praktischem Sinn (und dem Assistenten Adrian Linz), zeigt die Geschichte in realen Bildern, lässt aber die Schneekönigin als Metapher unsichtbar bleiben. Oder ist in jedem Herzen ein Splitter von des Teufels Spiegel und eine eisige Kammer? Wie auch immer, ohne dass alles erklärt und veranschaulicht wird, darf sich das Publikum eigene Bilder machen und die Geschichte für sich selbst deuten.
Manche Längen in den 70 Minuten beanstandet das junge Publikum ungeniert, durch Unruhe und dem lauten Seufzer „Das dauert aber lang“. Da gibt es noch Möglichkeiten der Verbesserung, wie auch dem jungen Dschungel-Ensemble ein wenig Sprechtraining nicht schaden würde. Das nahtlose Zusammenspiel von Tanz und Schauspiel (auch die Tänzerinnen haben Text, auch die Darstellerinnen bewegen sich in einer Choreografie, um Gefühle auszudrücken), ist perfekt gelungen und zeigt die gefühlvolle, abenteuerliche Geschichte als eindrucksvolles Erlebnis.
„Die Schneekönigin“ nach Hans Christian Andersen, Uraufführung am 28. November 2014 im Dschungel Wien.
Weitere Vorstellungen bis inklusive 24. Dezember.
Als Ergänzung ist vor dem Dschungel täglich das „Schneekönigin-Labyrinth“ bei freiem Eintritt zu durchwandern und mit einem Rätselspiel nach der Schneekönigin zu suchen.