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dornroeschen  goldingQuietschender Diskant ertönt vom Stehplatz, verzücktes Stöhnen aus den Logen: Matthew Golding feiert als Prinz Florimund sein Debüt an der Wiener Staatsoper. Die Wände des alten Dornröschenschlosses drohten einzustürzen, so frenetisch waren die Jubelrufe, so tosend der Applaus nach dem Grand Pas von Olga Esina und dem Gaststar in Sir Peter Wrights von Kollegin Edith Wolf-Perez bereits hinlänglich besprochenem „Dornröschen“.

Die Tänzerinne und Tänzer tragen keinerlei Schuld daran, dass es gilt, einen Prolog und zwei Akte auszuharren, bis endlich die große Begeisterung um sich greift. Jene gelangweilten Besucherinnen vornehmlich jugendlichen Alters, die nachdem Prinz Florimund endlich begriffen hatte, was er mit der schlafenden Schönen anfangen soll, das Haus verließen, wissen zu ihrem Glück nicht, was sie versäumt haben. Etwa Prisca Zeisel, die neben der Fee der Lebensfreude (Debüt am vergangenen Montag) auch im Pas de quatre (mit Alexandru Tcacenco) aufgetreten ist. Ein zweites geglücktes Debüt, ebenbürtig dem bereits routinierten Paar Reina Sawei (auch als Fee der Bescheidenheit zu sehen)/ Greig Matthews.

Oder Davide Dato, der als Blauer Vogel elegant und liebevoll die verzauberte Prinzessin umflattert. Diese nämlich, feierte in Gestalt der jungen Natascha Mair ein ebenfalls heftig beklatschtes Debüt. Wenigstens haben die Ungeduldigen die Esina als bezaubernden Teenager beim Geburtstagsfest gesehen und sich mit mir gewundert, dass die zarte Aurora nicht kreischend davon läuft, wenn vier grauhaarige Herren in dicken Schlafröcken um ihre Hand anhalten. Da ist es doch eigentlich ein Glück, dass die schöne Carabosse (Ketevan Papava zeigt wie verführerisch das Böse sein kann) die vergiftete Spindel mitbringt und Aurora so die Entscheidung abnimmt. Die Fliederfee, ebenso schön, aber von edlerem Gemüt, schwingt ihre Arme, wandelt den Tod in Schlaf.

Doch den Höhepunkt des Abends haben alle, die aufgegeben haben, versäumt: Den fulminanten Grand Pas von Prinz und Prinzessin. Die Esina scheint tatsächlich im Glück zu schweben und jede Variation zu genießen. Das Publikum genießt mit ihr. Matthew Golding kann auch in Wien beweisen, dass er zurecht als „fliegende Tänzer“ bezeichnet wird. Der aus Canada stammende kräftige Endzwanziger wurde erst kürzlich vom Holländischen Nationalballett weg an das Royal Ballet nach London geholt. Schon am kommenden Samstag wird er in der Nachmittagsvorstellung als Florimund auf der Bühne des Royal Opera House tanzen. Die Inauguration zum Principal Dancer erfolgt dann Ende März – die Vorstellung vom 27.3. ist bereits ausverkauft. Auch wenn die Londonerinnen eine andere Choreografie (Petipa / Dowell / Ashton / Wheeldon) sehen werden, so hat Wien diesmal das Recht der erste Nacht genießen dürfen und sich von den hohen Sprüngen in der schier unendlich drehenden Manege hinreißen lassen. Dass dieser Prinz, eher gehobener Landadel als verwöhntes Stadtbürschchen, seiner Aurora keinen einzigen Blick der Liebe schenkt, wollen wir verzeihen. Schließlich ist er ja von der schönen Dame in Weiß zu dieser Ehe nahezu gezwungen worden und kennt das wachgeküsste Mädchen noch kaum. Dass sich Golding ohne Fehltritt in die Choreografie eingefügt hat und mit Esina ein harmonisches Paar bildet, wurde zurecht lautstark bedankt. Dabei mag ihm auch Dirigent Fayçal Karoui, Chefdirigent des Pariser Orchestre Lamoureux, beheimatet am Théâtre des Champs-Elysées, beteiligt sein, der in dieser 2. Vorstellung der Aufführungsserie voll Engagement mit dem Orchester unten und den TänzerInnen oben zusammen gearbeitet hat.

„Dornröschen“ mit Matthew Golding als Gast, Staatsoper 20. Februar 2014. Nächste Vorstellung in der selben Besetzung: 23.2. 16 Uhr.