Denys Nedak, Solist an der Nationaloper Kiew, überzeugt bei seinem Debut an der Wiener Staatsoper als sympathischer und dynamischer Prinz Siegfried. Seine Partnerin war Nina Poláková, die erstmals die Rolle der Odette/Odile tanzte. Die filigrane Ballerina verlieh der verzauberten Schwanenkönigin märchenhafte Entrücktheit.
Dieser Prinz ist ein junger Mann, der sich auf sein Fest freut – auch wenn er anfangs verträumt in seinem Buch versunken die Umgebung gar nicht wahrnimmt. Doch dann ist er ganz charmanter Gastgeber und begrüßt freundlich Freunde und Bekannte, die ihre Aufwartung machen. Erstmals tanzen Anita Manolova und Nina Tonoli die Gefährtinnen des Prinzen, fröhlich und sehr ordentlich, ebenso wie ihre Partner Masayu Kimoto und Greig Matthews. Das Ensemble wirkt animiert. Denys Nedak hat sich offensichtlich ausführlich mit den choreografischen Eigenheiten der Nurejew-Fassung von „Schwanensee“ auseinandergesetzt, und meisterte auch das vertrackte Adagio am Ende des 1. Aktes mustergültig. Im Laufe des Abends wird er noch an Sicherheit und Ausstrahlung gewinnen.
In Akt 2 ist er vom Aufmarsch der Schwäne förmlich überwältigt. Odette erscheint - gespenstisch blass. Ihr begegnet Siegfried kraftstrotzend, viril und mit jugendlich-naivem Schwung und erweist sich als verlässlicher und starker Partner. Doch in der Gelassenheit ihres Tanzes scheint sie bereits dem irdischen Leben entrückt zu sein. Mit ihrer Interpretation verstärkt Nina Poláková den märchenhaften Charakter dieses Balletts, emotional wirkt sie aber durchwegs neutral. Als wäre sie der Gefühle nicht fähig. Diesen Eindruck kann sie auch im dritten Akt als Odile nicht verwischen. Hier vermisst man das Spiel der Verführung, in das die als Odette getarnte Tochter Rotbarts, Siegfried verwickeln sollte. Daran ändert auch die technische Vollendung, mit der sie die x Fouettés dreht, nichts.
Im vierten Akt scheint sich Odette ganz ihrem Schicksal ergeben zu haben. Gegenüber Rotbart ist kein Widerstand erkennbar, willig folgt sie ihrem Partner Andrey Teterin in den Hebungen und auch im Pas de trois mit Siegfried ist kein innerer Konflikt zu spüren.
Das Corps de ballet agierte in dieser Vorstellung wieder wunderbar synchron. Bei den Charakter-Variationen gaben Franziska Wallner-Hollinek und Gabor Oberegger im ungarischen Tanz temperamentvolle Rollendebuts, Rebecca Horner war erstmals als spanische Tänzerin eingesetzt, einer Variation, der es aber insgesamt an choreografischem Esprit fehlt.
Zu Recht wurde auch das Wiener Staatsopernorchester für seine meisterhafte Tschaikowski-Interpretation bejubelt. Alexander Ingram hat das Tempo stellenweise etwas zurückgenommen und gab den lyrischen Passagen im Vergleich zu vorangegangenen Dirigaten breiteren Raum.
Wiener Staatsballett: „Schwanensee“ am 20. März 2015 in der Wiener Staatsoper
Letzte Vorstellungen in dieser Saison am 30. März in dieser Besetzung und am 31. März mit Ludmila Konovalova und Vladimir Shishov