Das "ABC des TANZES", also formal-tänzerische Basisinformationen als erste Veranstaltung in dieser Saison auf der Studiobühne und damit, wie der Untertitel lautet, „Tanz ganz nah“ anzubieten, erwies sich als ein kluger Schritt des neuen Opernhaus-Ballettdirektors Jörg Weinöhl in Richtung auf sein Publikum. Damit gibt es eine Fortsetzung der vieljährigen, äußerst beliebten Reihe „Tanz Nite“ seines Vorgängers Darrel Toulon – allerdings mit deutlich anderen Akzenten.
Jörg Weinöhl versuchte das Publikum (wieder) mit den traditionellen Formen der Bewegungskunst vertraut zu machen: Einerseits, um sich und seine Intentionen, die das klassische Ballett im Fokus haben, ein weiteres Mal und unmittelbar offen und klar zu deklarieren: andererseits, weil das Grazer Publikum in den letzten 14 Jahre vor allem die Möglichkeit hatte, sich mit den anspruchsvollen und zum Teil auch sperrigeren Formen des Zeitgenössischen Tanzes auseinanderzusetzen. Und Weinöhl ist es gelungen, das ihm neue Publikum mit der eigenen Überzeugung, Begeisterung und nicht zuletzt durch seine Kompetenz abzuholen und mitzunehmen. Die vorhandene Bereitschaft zeigte sich anhand gut besetzter Publikumsreihen; die große, lückenlose Aufmerksamkeit der „SchülerInnen“ ist ihrem „Lehrer“ zuzuschreiben, der zwar in altgedientem Frontalunterricht vermittelte, geradlinig und einfach, dies aber doch auch mit so viel Lebendigkeit und Fachwissen bewerkstelligte, dass ein Funke übersprang und sich echtes Interesse für das entwickelte, was in dieser komprimierten Trainingseinheit rund um Basistechnik an der Stange mit fünf TänzerInnen vorgeführt wurde.
Wohlüberlegt war zweifellos auch deren Zusammensetzung: drei von ihnen aus dem Ensemble des Vorjahres, zwei von ihnen neu am Haus; und allesamt überzeugt von der hohen Wertigkeit der klassischen Ausbildung, was sie in den kleinen Dialogen zwischendurch, die Weinöhl mit ihnen führte, zum Ausdruck brachten. Selbstverständlich auch bei ihrer Konzentration während der einzeln vorgeführten Techniken – bei allen Unterschieden in ihrem Können, ihrer Dynamik und dem Fluss ihrer Bewegungen. Umso mehr aber wurde den Zusehern derart klar, wie Können sich manifestiert, wo Schwierigkeiten liegen und nicht zuletzt, was es an konsequentestem, härtestem Training bedarf, um auch nur kurze Bewegungs-Sequenzen, wie sie als Abschluss, basierend auf dem davor Erarbeiteten bzw. Vorgeführtem, in Gruppen gezeigt wurden.
Bei den Zusehern selbst handelte es sich – und das ist wenig verwunderlich – um eine weitgehend anders zusammengesetzte Gruppe als in den letzten Jahren. Mit großer Offenheit gegenüber dem nunmehr veränderten Angebot zeigten sie sich oftmals als gleichermaßen überrascht wie fasziniert vom Neuen. Zum Teil mag das Publikum aber auch dankbar das aufgenommen haben, was anhand der formal klar definierten Strukturen der performativen Kunst des klassischen Tanzes einfacher zu verstehen ist als dies vergleichsweise bei den sehr offenen Formen und den inhaltlich definierten, abstrakten Umsetzungen des Zeitgenössischen Tanzes der Fall ist.
Nur in einem Zusammenhang war ein Murren allerdings nicht zu überhören: Beim Kartenkauf nämlich, da für eine Eintrittskarte der in der Tat stolze Preis von 22 € zu berappen war – für 60 Minuten moderierter Trainingseinheit.
Jörg Weinöhl und Tänzer der Oper Graz: "ABC des Tanzes. Tanz ganz nah" am 29. Oktober 2015, Studiobühne der Oper Graz. Die nächste Ausgabe der Serie "ABC des Tanzes" findet am 13. Jänner 2016 statt.