Zwischen Tanzperfektion, leidenschaftlichen Briefen und romantischer Musik. Dass Sex, Liebe, Eifersucht, Arroganz und Überraschung nicht nur das moderne Leben prägen, bewies der Choreograph Enrique Gasa Valga in seinem neuen Tanzstück "Gefährliche Liebschaften". Er verwandelte mit der Tanzcompany des Tiroler Landestheaters auf Basis des gleichnamigen Briefromans von Choderlos de Laclos die Landestheaterbühne in ein prickelndes Inferno menschlicher Intrige.
Die Zwischenzeilen des Briefromans wurden im großen Saal auf hohem Niveau "vertanzt" und verhalfen in dieser neuen Form dem Publikum zu einem tieferen Blick in das Gefühlsleben dieser literarischen Leidenschaften. Die Aufführung schafft es überraschende Parallelen zwischen dem historischen Stoff und der Gegenwart zu ziehen. Die Handlung des Romans spielt in der französischen Gesellschaft vor der Revolution und spaltet sich in zwei große Intrigen, die von Marquise de Merteuil (Anna Romanova) und ihrem ehemaligen Liebhaber Vicomte de Valmont (Samuel Maxted) gesponnen wurden. Dabei wird einerseits Cécile de Volanges (Lara Brandi) - eine brave, jungfräuliche Klosterschülerin - andererseits die treue Madame de Tourvel (Lore Pryszo) verführt.
Dass Gasa Valga den literarischen Stoff aus dem 18. auf Musik aus dem 19. Jahrhundert und tänzerische Umsetzung unserer Zeit treffen lässt, sorgt für eine interessante geschichtliche Konfrontation. Auf diese Weise können auch Johannes Brahms` und Franz Schuberts Klavierquintette einmal anders gehört werden; mit Schwerpunkt der Tanzinszenierung vor Augen könnte man auch sagen "anders gesehen" werden.
Ein Novum für Gasa Valgas’ Tanzcompany war die Livemusik. Die Musiker Martin Yavryan (Violine), Serena Stella (Klavier), Markus Huber (Viola), Snezana Trajkovski (Cello), Anna-Maria Volderauer (Kontrabass) waren für das Publikum auch optisch präsent. Zweifelsohne war die Liveinterpretation im großen Saal eine akustische Herausforderung, die aber mit großer musikalischer Eleganz gemeistert wurde. Schuberts "Forellenquintett" schenkte dem Tanzstück dabei Leichtigkeit, Verführung, aber auch subtile Todesahnung im ersten Teil. Brahms Klavierquintette untermalten mit schnellen Tempi Drama, Schmerz und Vergeltung des zweiten Teils.
Schon der Beginn des Stückes provozierte das Publikum: bei geschlossenem Vorhang wurde es mit animalischem Stöhnen beschallt, das für innere Bilder und Fragezeichen sorgte. Die jungen Stars des Landestheaters Anna Romanova (Marquise) und Samuel Maxted (Valmont) verkörperten mit technischer Brillianz, Leichtigkeit, Sensibilität und feiner Erotik die Hauptcharaktere. Beide bestachen durch ihr manipulativ-laszives Charimsa bis zum Schlussakkord. Die Marquise, eine fleischfressende Pflanze macht dabei Gebrauch von Valmont, einem fallenstellenden Verführer und Liebhaber mit Seele, der eine tödliche Metamorphose erlebt.
Die Bühnengestaltung von Helfried Lauckner mit ihrem Schattenspiel spiegelte dabei die Innenwelt der Charaktere wider, welche sich während des Stücks weiter entwickeln und subtile Schattierungen ihrer Rolle offenlegten.
Wer pure Erotik zwischen prickelnder Körperlichkeit, Literatur und hochrangiger Musik genießen will, sollte sich für die weiteren Aufführungen einen der wenigen Restplätze sichern.
Tanzcompany des Tiroler Landestheaters: „Gefährliche Liebschaften“ von Enrique Gasa Valga, Uraufführung am 27. Februar 2016 im Großen Saal des Tiroler Landestheaters. Weitere Vorstellungen am 04., 13., 16., 18. März; 1., 10. April, 20. Mai, 2., 10. und 12. Juni 2016