Von der inspirativen Kraft der Begrenzung. Marlene Haushofers Roman „Wand“ brachte bei seinem Erscheinen in den späten 1960ern so manche(s) in Bewegung und er tut es auch nun: neben Sten Nadolnys „Ein Gott der Frechheit“ und vordringlich als Inspirationsquelle für das Solo „Paula“ der editta braun company & Iris Heitzinger, auf dem Weg vom Wort zum Tanz mit locker-zielstrebigem Schritt.
Das behandelte Thema ist schon in seiner verbalen Umsetzung für vielerlei Interpretationen offen. Und der Tanz, diese „Nischenform, lässt Platz für Geschichten, die für jeden anders sind“ - so Editta Braun in einer kleinen Gesprächsrunde im Anschluss an die Vorstellung, die im Rahmen von „Pelzverkehr“ stattfand; einem von „Tanzamt Klagenfurt“ in Kooperation mit dem „klagenfurter ensemble“ erstmals ausgerichteten Tanzproduktions-Reigen in der Klagenfurter theaterHalle 11. Präsentiert werden innerhalb von knapp zwei Wochen 6 Choreographien, die, wie Initiatorin Ingrid Türk-Chlapek angibt, durch zwei rote Fäden verbunden sind: Traditionelle Tanzformen werden auf ihr zeitgenössisches Potential abgeklopft, thematisch stehen Geschlechter- und Generationenrollen zur Disposition.
Die erste Abendveranstaltung (vor vollem Haus) war ein starker Auftakt: Heitzinger erreicht mit ihrer ebenso fokussierten wie natürlichen Bühnenpräsenz ihr Publikum ganz zwanglos; sie überzeugt mit feiner Technik und gekonntem Wechsel in der Bewegungsdynamik: Es ist zu spüren, dass in kürzester Zeit „alles aus ihr herausgeflossen“ ist und dass die Stimmigkeit auf einer zügigen gemeinsamen Erarbeitung basiert: auf der mit Editta Braun (Regie, Choreographie), die schon lange mit ihr zusammenarbeiten wollte. Und sie basiert auf der Musik, für die die alleinige Vorgabe von Braun lautete: Thierry Zaboitzeffs Komposition solle eine für elektronische Bassgitarre sein. Und diese vermag es einprägsam, Angst und Bedrohung in die Knochen fahren zu lassen, wiewohl auch die Stille von großer Bedeutung ist: um den zahllosen individuellen Sehnsüchten und Unsicherheiten jedes einzelnen im Publikum Raum zu geben.
Wesentlich zur eindringlichen Kompaktheit dieses 2014 in Salzburg uraufgeführten Stückes trägt der vom litauischen bildenden Künstler Arturas Valudskis strukturierte Bühnenraum bei, der ganz wunderbar die Thematik der Beengung und Einschüchterung sowie die der Geborgenheit wie auch die der Motivation, kreatives Potential zu leben, bühnenimmanent verwirklicht.
Es sind große Herausforderungen, denen ein Mensch ausgesetzt ist und es sind solche, die er für oder gegen sich nützen kann: dieses Changieren zwischen spielerischer Entdeckungs- und Lebensfreude, lustvollem Besitzergreifen und Genießen, frecher Koketterie und Witz, zwischen verunsichertem Verstecken oder aggressivem Ankämpfen, haltlosem Toben und verzweifeltem Taumeln, das führt Heitzinger in berührend Vielfalt ihrer gestisch unterstützten Bewegungssprache vor, verankert in der Bipolarität des Eigenen und Inneren und des Anderen, Äußeren.
Editta Braun Company und Iris Heitzinger: „Paula“ im Rahmen von Pelzverkehr, Tanzwochen Klagenfurt/Celovec am 22. September in der theaterHALLE 11. Das Festival Pelzverkehr läuft noch bis 1. Oktober 2016