Abschied von der Ersatzspielstätte Reithalle hieß es am Samstag, den 15. Juli für das Staatstheater am Gärtnerplatz. Fürs erste, wie Intendant Joserf E. Köpplinger voll Vorfreude auf die Rückkehr ins komplett sanierte Stammhaus im kommenden Oktober launig ins Mikrofon verkündete. Dann moderierte sein Mann für den Tanz, Ballettdirektor Karl Alfred Schreiner, mit „Act Three“ das Finale der diesjährigen Dancesoap „Minutemade“ an: ein kurzweiliger Amüsierhappen zum Spielzeitende – mit Schockeffekt.
Überraschung bei dieser „Minutemade“-Staffel (siehe auch tanz.at-Artikel zu Teil 1): Ausnahmslos alle Gastchoreografen hatten (erstmals überhaupt in der Geschichte dieses „Spontan“-Formats) das zu Beginn von Schreiner ins Spiel gebrachte Styropor weiter verwendet – Gentian Doda mitunter als in die Choreografie integriertes Soundinstrument. Nach ihm ließ sich Eyal Dadon von den zerbrochenen weißen Platten zu Grabvisionen hinreißen. Die Tänzer schlichten die Bruchstücke immer wieder über einen vor sich hin singenden Kollegen. Zudem übernahm der Israeli in bester Serienmanier auch einige Posen und Bewegungssequenzen seines Vorgängers und trieb sein Stück mit einer Karaoke-Show zum „Dirty Dancing“-Song „The Time of My Live“ auf eine sehr individuelle Spitze.
Diese wiederum wusste Roberto Zappalà, italienisch-stylisch-bunt wunderbar zu brechen. Sein Input führte back to the roots of Modern Dance, mit Bodies, die bravourös wie Kaugummis verschiedener Geschmacksrichtungen durch den Raum „bumerangten“ – allein, in Paaren und zuletzt als exzellent synchrone Unisono-Tänzermasse. Deren Abschied in die wohlverdiente Sommerpause: ein kollektiver Schmatzer fürs Publikum, das die kurzweilige Stunde mit Bombenstimmung begleitete. Zappalàs Einstieg in die Staffel war allerdings der genialste Hammer. Zu Fluglärm, Gegacker und dem Sound zweier sich kreuzender Messerklingen gefror das Lachen der Zuschauer beim unerwarteten Blick auf in Folie mit Preisetikett eingeschweißte nackte Körper. Gerupfte Hühnerware in der Kühlauslage. Akustisch gehüllt in Saint-Saëns Musik vom „Sterbenden Schwan“. Da war es erneut, eisig inszeniert, das multifunktionale Styropor. Hintersinniger Eyecatcher der Saison.
Nächste Spielzeit erwartet die Kompanie eine neue Herausforderung: Mit „La Strada“ zu Musik von Nino Rota wird Marco Goecke – Deutschlands Choreograf mit der eigenwilligsten, detailversessensten Körpersprache – fürs Gärtnerplatz-Ballett einen Abendfüller kreieren. Schöne Aussichten! Ein Kahlschlag in Tanzbelangen wie derzeit in Stuttgart ist in keinem der beiden Münchner Tanzensembles zu befürchten. Bei den Württembergern musste jüngst Goeckes „Kafka“-Stück kurzfristig abgesagt werden. Jetzt wurde noch bekannt, dass Tamas Detrich, designierter Nachfolger von Stuttgarts amtierendem Ballettintendant Reid Anderson, den renommierten Künstler und Hauschoreografen Goecke nicht verlängert. Den Stuhl vor die Tür gesetzt bekam bereits zuvor der zweite Stuttgarter Hauschoreograf Demis Volpi – nach einhelligen Erfolgen wie seinem Ballett „Krabat“ und der Regie von Brittens Oper „Tod in Venedig“. Bayern könnte davon profitieren...
Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Minutemade Act Three am 15. Juli 2017 in der Reithalle München.