Zum 20.Mal vertreibt das Festival für Straßen- und Figurentheater "La Strada" eine gute Woche lang Sommerträgheit und das berüchtigte Sommer-Loch aus den Straßen der Stadt. Die Eröffnungsshow „Machine de Cirque“ im prall gefüllten Opernhaus endete mit Standing Ovations als Antwort und Dank an fünf junge Männer aus Kanada, die knappe zwei Stunden lang ihre Interpretation von dem präsentierten, was Cirque Nouveau sein und bieten kann.
Ausgehend von der Überzeugung, dass die Welt auch nach einer Apokalypse noch lebenswert ist, toben die fünf Artisten durch die verbliebenen Reste, durch eine Art Fetzenburg bzw. eine sich von Zeit zu Zeit irrwitzig bewegende, sich da und dort drehende „Weltmaschine“. Energieüberschäumende „Buben“ sind es, die nicht ans Aufgeben denken und ohne Rücksicht auf Verluste spielen: mit allem, was ihnen zwischen die Finger gerät, miteinander und übermütig gegeneinander, Widerwertigkeiten und fingierten eigenen „Unzulänglichkeiten“ zum Trotz. Wobei sie freilich ihre außergewöhnlichen akrobatischen Fähigkeiten auch in diesem Chaos und ihrem wirbelnden, „sinnlosen“ Tun nicht wirklich verstecken können.
Jeder auch noch so ungewöhnliche Spaß muss jedoch - so empfindet auch der noch so kindlich mitlebende Zuseher -, um sich nicht totzulaufen, einmal sein Ende haben; was, entsprechend dem großartigen choreographischen Gesamtkonzept des künstlerischen Leiters Vincent Dubé, auch bestens getimt passiert.
So wird nach scharfem Schnitt In einer kleinen, ruhigeren Szene Identitätsproblematik angedeutet: kurz und gekonnt, ungewöhnlich unterstützt durch Fotos und Gestik; zum Durchatmen, bevor sich der Betroffene in seiner „Verzweiflung“ aufs Hochtrapez stürzt … und den Zuseher wiederum den Atem anhalten lässt. Dass Cirque Nouveau anhand eines roten Fadens sich spinnt, Geschichten erzählt und Themen - auch ernste und aktuelle - anschneidet, das ist also von Beginn an klar erkennbar. Manchmal kann es aber auch nahezu poetisch werden – etwa auf und mit einem Fahrrad, im liebevollen Dialog mit diesem, im Tanz auf, unter, „in“ und neben ihm.
Einer der (vielen) Gründe, warum dieses zauberhafte Programm in jedem Mann, jeder Frau das „Innere Kind“ weckt, ist die ebenso verspielte wie harmonisch-herzliche Ausstrahlung dieser „Buben-Gemeinschaf“. Ob sie nun Hüte in der Luft und auf ihren Köpfen tanzen lassen oder einen variationsreichen Tanz einer Keulen-Jonglage hinlegen, die zweifellos weltweit ihresgleichen sucht.
Dass sie allesamt neben ihren technischen auch humorvoll-feine darstellerische Fähigkeiten haben, das beweist unter anderem ihr „Striptease“ respektive ihre Badehandtuch-Szene. Jeden auch noch so puristischen Moralapostel wird diese faszinieren.
Sollte aber all das und einiges an Fantasievoll-Kunstvollem mehr jemandem immer noch nicht genügen, dann sehe er sich („zur Strafe“ mit offenem Mund, denn kaum jemand schafft es anders) am fulminanten Programmabschluss das an, was auf dem und mit dem Teeterboard in die Luft gezaubert werden kann – wenn man es kann. Sollte jemandem beim Verlassen der Spielstätte der Mund offengeblieben sein, ist er sicherlich nicht allein.
„Machine de Cirque“ Premiere am 28.7.2017 im Opernhaus Graz im Rahmen des Festivals La Strada. Weitere Vorstellungen am 1., 2., 3. Und 4. August.