Unverwechselbar ist ihre Art des performativen Auftretens, ist ihre Art der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen, die - nicht nur ihnen - unter den Nägeln brennen: die des Grazer Duos Navaridas & Deutinger. Dies gilt selbstverständlich ganz besonders für die Serie „Iconic Rhetorics“, in deren Rahmen sie nach einer Hinterfragung von Barack Obamas Rhetorik sowie von verbalen Stellungnahmen über und von Lady Diana, nun, im 3.Teil, bei Papst Franziskus ihr Ohr ansetzen.
Unterstützt von ihrer beider linguistischer Ausbildung, ist dies ein durchaus nachvollziehbarer und auch greifender Ansatz; selbst wenn der Griff ein variantenreicherer, teilweise stärker gestrafter und manchmal festerer sein könnte.
Das, was das spanisch-österreichische Paar Marta Navaridas und Alexander Deutinger besonders interessiert, sind mehr oder weniger verdeckte Widersprüche: Phänomene, die Deutinger anhand von anzuzweifelnder, weil etwa abgegriffener und idealistischer Formulierungen in den zitierten Passagen der Europarede des Papstes (2016 im Vatikan anlässlich der Verleihung des Karlspreises der Stadt Aachen) mittels Wiederholung oder (in den Mund gelegter) Infragestellung durch das Wörtchen „what“ ebenso ironisch wie nahezu mitleiderregend zu unterstreichen weiß, die aber durch die zu wenig differenzierende und auch nicht weiter analysierende Handhabung zwar sehr amüsant, aber letztlich nicht wirklich aufschlussreich sind. Ein besonderer Könner im kritisch aufdeckenden Fach ist er dort, wo er seine fein nuancierende Intonation einsetzt – im Widerspruch zum Inhalt, selbstredend; oder auch seine kaum bemerkbare, aber doch so muskelgenau eingesetzte Mimik. Und schließlich ist es sein (leider nur kurz und selten eingesetztes und gezeigtes) bewegungstechnisches Können, das die Ironie auf eine höhere Spitze treibt - ganz besonders etwa im Showdown. Aber auch hier gilt, dass sich eine tiefergreifende Kritik am angesprochenen Thema nur im Ansatz vermittelt.
Navaridas, die wie ihr Partner auch für das Konzept verantwortlich ist, überrascht durch ihre fingerfertige Kunst des Zeichnens: nicht nur des Tempos wegen, sondern vor allem durch den jeweils ungewöhnlichen Ansatz und Aufbau der Skizzen, deren Kritik im Zusammenhang mit dem (von Deutinger gleichzeitig) Vorgetragenen sich so manches Mal spannend und pointiert entwickelt. Ihr Einsatz auf Sprungstelzen zeugt von Körperbeherrschung und ist nett anzusehen; sein „tieferer“ Sinn ergibt sich allerdings vor allem in der unterhaltsamen Passage der Kollekte auf diesen und mithilfe eines riesen Schmetterlingsnetzes.
Dass der Großteil des Geschehens vor mächtigem Musikhintergrund passiert, mit dem Adina F. Camhy stimmig überzeugt, überrascht keinen, der die Entwicklung der KünstlerInnen mitverfolgt hat. Und er fügt sich auch nahtlos in das Konzept einer perspektivischen Beschreibung eines immerwährenden Phänomens mit Wiederholungscharakter: das der Sehnsucht des Menschen nach Identifikationsfiguren, im gegebenen Fall nach der des gegenwärtigen Pontifex. Das Aufzeigen seiner zeitimmanenten Be- und Ausnutzung der allgegenwärtigen, medialen Möglichkeiten gelingt anhand der angestrebten Sprachanalyse zwar recht witzig-unterhaltsam und greift etwas tiefer eher in einem allgemeinen und nicht so sehr im intendierten, personenbezogenen Sinn; ein Ansatz, der nichtsdestotrotz aber auch Sinn macht.
Dass das außergewöhnliche Showtalent des Paares (dieses Mal gut ergänzt durch Camhy), unterlegt mit eigenwilliger Intellektualität und heutiger, zeitweise grober Sicht der Dinge Freude macht, tut nicht nur der kleinen Grazer Performance-Szene überaus gut, sondern bewährt sich bekanntlich auch international.
Navaridas & Deutinger „Pontifex“, Kristallwerk Graz am 2. September 2017. (Premiere am 27. Juli 2017 im Rahmen der Sommerszene Salzburg)