Mit seinem Dreiteiler begeisterte das Wiener Staatsballett das Publikum erneut. Oder besser: Bei den ersten beiden Stücken des Abends gab es stürmischen Beifall, während das letzte Stück mit höflichem Applaus quittiert wurde. Denn gegen Balanchines choreografierter Freude und Edwaard Liangs traumhafte Vogelschwärme, fällt die Energie beim redseligen Poeten in Proiettos Stück drastisch ab.
Maria Yakovleva und Jakob Feyferlik eröffnen die „Symphonie in C“ von George Bizet mit mitreißendem Animo, gefolgt vom Pathos-getränkten Adagio mit Liudmila Konovalova und Roman Lazik. Balanchines Ballett ist ein Paradebeispiel der klassischen Schule, mit flinken Beinen, eleganten Épaulements und verspielt-verschlungenen Raumwegen.
Die Virtuosität vom Kiyoka Hashimoto und Denys Cherevychko im spritzigen 3. Satz ist kaum zu überbieten, während Alice Firenze mit Dimitru Taran gekonnt zum Grand Finale im letzten Satz einleiten. Diese SolistInnen stehen stellvertretend für das gesamte Ensemble, das mit diesem Balanchine reine Lebensfreude ausstrahlt. Balsam auf die Seele wintergeplagter Gemüter! Das ist ebenso dem sehr dynamischen Dirigat von Fayçal Karoui mit dem Wiener Staatsopernorchester geschuldet.
Nicht weniger inspiriert hört sich das Violinkonzert von Ezio Bosso in Edwaard Liangs Choreografie „Murmuration“ an. Zum Weinen schön die Interpretation des Solisten Volkhard Steude, der die poetische Reise der Vögel auf der Bühne hörbar macht. Licht und Schatteneffekte, leise rieselnde Federn, monochrome Stimmungen zwischen Tag und Nacht und vor allem eine hinreißende Bewegungssprache in einem Zustand der Schwerelosigkeit entführen in eine harmonische, friedvolle Welt, wie sie für diese Gesellschaft selbstverständlich zu sein scheint.
Das Wiener Staatsballett tanzte auch bei der Wiederaufnahme inspiriert und kraftvoll, besonders eindringlich ist das Duett von Nina Poláková und Roman Lazik, die sich wieder einmal als Traumpaar für moderne Werke präsentieren.
Auch wenn diese Sylphiden noch so zauberhaft tanzen, sie können über die Schwäche von Daniel Proiettos „Blanc“ nicht hinwegtäuschen. Der wehleidige Text des Poeten voller Plattitüden (geschrieben von Alan Lucien Øyen) wird zur unendlichen Litanei, die die Musik stört und die Zuseherin irritiert. Die undankbare Aufgabe, diesen Text zu rezitieren ist nun erstmals Andrey Kaydanovskiy zugefallen, der den ursprünglichen Schauspieler zwar an Eleganz aber nicht an Wortdeutlichkeit übertrifft. Das liegt weniger an fehlender Sprechtechnik, sondern daran, dass eine Stimme die Musik nicht übertönen kann. Immer wieder gibt es atemberaubende Bilder – etwa die Riesenprojektion von Ketevan Papava, vollendete Sylphide und Traumfrau, oder das Schlussbild, das dem pastellfarbigen, vergeistigten Zustand grelle Farben entgegensetzt. Doch das sind Momentaufnahmen in der von Selbstmitleid des Poeten getränkten Fadesse. Selbst Eno Peci (als Schatten des Dichters), der in jeder Rolle eine Geschichte aufstöbert und ausdrückt, stößt hier an die Grenzen der Sinnfindung.
Wiener Staatsballett: „Balanchnie | Liang | Proietto“ am 13. März an der Wiener Staatsoper. Weitere Vorstellungen am 17., 20., 21. und 23. März 2018
Zur Premierenkritik (1. November 2016)