48 Lebensjahre haben die zwei Künstlerinnen noch vor sich - statistisch errechnet entsprechend der für ihr jeweiliges Geburtsjahr geltenden Lebenserwartung und den Lebensdaten ihrer Vorfahren. Nüchtern werden diese Fakten auf den Tisch, respektive auf die Festtafel gelegt, rund um die sich ihre Gäste, vulgo ihr Publikum (maximal 20 an der Zahl), versammelt haben: um das Sterben zu thematisieren.
In Anlehnung an die „Death Chats“ bei Wein, Brot und Käse: Also wie sie es mehrfach bei ihrer Arbeit in einem Südlondoner Hospiz mit den dortigen Angehörigen erlebten. Sie – das ist Performerin/Dramaturgin und Gender-Expertin Hanna Rohn (Graz/London) sowie die Schauspielerin/Performerin und Theaterpädagogin Emma Berentsen (NL/UK). Künstlerisch angesiedelt ist die in deutscher und englischer Sprache ablaufende Veranstaltung „irgendwo zwischen Performance, Workshop und ehrlicher Konversation. Essen, Getränke und Gesang inklusive“.
Dramaturgisch ist die gut einstündige Performance in 7 Abschnitte unterteilt: Weil die 7, die eine vielfach konnotierte, besondere Zahl ist, auch 7 Beziehungen zwischen Essen und Tod beinhalte; Themen, die gleichermaßen voneinander nachvollziehbar abgesetzt wie locker aneinandergereiht hier besprochen werden.
Ein wohlüberlegter, persönlicher Einstieg in Form kurzer, durchaus individueller Erzählungen zu Todesfälln in der eigenen Familie, schafft eine erste Annäherung an das weitgehend tabuisierte Thema Tod. Einerseits, weil neben gebotenem Ernst auch Humor und selbst kurze, live vorgetragene Lieder ihren Platz haben; andererseits, weil die beiden jungen Künstlerinnen mit zielstrebiger, entspannter Authentizität den Raum für das so gerne Werggeschobene, in Bezug auf sich selbst geradezu Verleugnete zu öffnen verstehen.
Es entwickelt sich ein natürliches Netz aus Präsentiertem und vom Publikum zum Thema Beigetragenem: Etwa darüber, wie man sein Begräbnis gestaltet haben wolle (hierzu gibt es sogar eine Literaturempfehlung), ob man und wenn ja, was man über seinen Tod wissen möchte. Beim inzwischen kredenzten Wein und stärkendem Brot und Käse, werden von den Künstlerinnen Überlegungen zu Ritualen in diesem Umfeld angestellt, Fragen zu der im Hier und Heute existierenden Entscheidungsfreiheit diskutiert sowie das Thema der Euthanasie kurz angeschnitten. Die Subjektivität von Erinnerungen wird ebenso unüberhörbar bewusst gemacht wie deren enger Verbindung zu vielschichtigen Sinneseindrücken: wie eben auch konkret vor Ort beim verbindend-auflockernden Essen.
Es mag ein bisschen (zu) viel an aufgetischten großen Brocken gewesen sein. Aber der Charme dieses konzeptuellen Ansatzes, die ebenso natürliche wie professionelle Umsetzung durch Hanna Rohn und Emma Berentsen lassen die zum Teil ein bisschen gröber geschnittenen Stücke gerne trotzdem und vor allem auch nachhaltig schätzen.
Und dass mit dieser thematischen Auseinandersetzung ein – jedenfalls in unserem Kulturkreis – seltener und wichtiger Schritt von Enttabuisierung getan wird, das beweisen auch die engagierten Reaktionen im Publikum.
Hanna Rohn und Emma Berentsen: “Let's talk about death, baby” am 25. März im Theater am Lend, Graz