Onkel Wanja also, laut und poppig als „Chekhov fast and furious“ vermarktet. Tatsächlich blieb wenig von Tschechow übrig und statt „schnell & wütend“ war der jüngste Streich von Superamas eher „long & long winded“. Das lag wohl daran, dass das Performance-Kollektiv den Unterschied zwischen der Arbeit mit Professionellen und Amateuren nicht richtig einschätzte. Denn die jungen Erwachsenen gaben wohl ihr Bestes, verfügen aber zwangsläufig nicht über die darstellerischen Skills von Profis.
Partizipatives Theater ist in. Eine Hoffnung ist wohl, damit auch ein (jüngeres) Publikum für die hehren Kulturtempel zu motivieren. Kann schon funktionieren. Wenn das Mitmach-Theater allerdings auf Kosten der Inhalte und der Qualität geht, wird die Rechnung nicht aufgehen. Genau das ist (wieder einmal) im vorliegenden Beispiel passiert.
Superamas sind bekannt für ihre cleveren Collagen zu einem Thema. Diesmal beginnt es aber schon oberlehrerhaft, wenn die Mitglieder des Kollektivs sich vor den Vorhang setzen und dem Publikum nicht gestellte Fragen beantworten. Zum Beispiel zur Stückwahl von Onkle Wanja, die so erklärt wird: während der eine in eine Sackgasse geraten sei, würden die jungen Menschen nach vorne blicken. Eine Anspielung auf den eigenen Zustand der Gruppe, die im letzten Jahr die langfristige Unterstützung der Stadt Wien verloren hat?
Im Laufe der 90 Minuten werden einige wenige Textpassagen von den professionellen Superamas-Darstellern gespielt, doch grundsätzlich überlassen sie das Bühnenfeld den Laien zwischen 18 und 25 Jahren, die ihre eigenen Assoziationen zum Stück oder auch einfach zu (spät-)pubertären Befindlichkeiten zum Besten geben. Wird anfangs mit den jungen Menschen aus Frankreich, Island und Österreich (auf Videoaufzeichnungen) noch hochintellektuell über Tschechows Stück philosophiert, so weicht diese Auseinandersetzung auf der Bühne bald einem Reigen von Banalitäten, der dann noch mit Partying und poppigen Tanznummern garniert wird. Das Ganze kommt so schön beliebig daher, wie man es in der Performance-Szene der letzten Jahre schon hinlänglich erlebt hat und ist ebenso interessant wie die Selbstdarstellung in TV-Formaten à la „Big Brother“.
Die jungen DarstellerInnen sind daran jedenfalls nicht schuld, denn sie werfen sich mit ihrem ganzen Engagement in das Abenteuer Theater. Das würde eine stringente und strikte Form und Regie verdienen statt dem Laissez-Faire, das sich über weite Strecken der 90 Minuten hinzieht und mit einer überlangen, unchoreografierten Disco-Szene endet, in der sie zu gängigen Popnummern einfach abtanzen. Warum werden die Aktionen der Amateure nicht ebenso sorgfältig inszeniert wie professionelles Theater? Steckt dahinter nicht ein Höchstmaß an Überheblichkeit seitens der Profis?
Dabei haben Superamas die Zusammenarbeit mit Jugendlichen in ihrem letzten Stück „Vive l’armée“ dramaturgisch ganz wunderbar integrieren können. Warum also jetzt dieses krampfhafte Mitmach-Getue, das alle überfordern muss, die das Handwerk nicht beherrschen (können)? Die kritische Distanz fehlt um den feinen Unterschied zwischen persönlich und privat herauszuarbeiten, und mehr als einmal wird die Chose eher peinlich.
Solcherlei Ansätze werden die Krise des Theaters, die zwischendurch ebenfalls vom Superamas-Team thematisiert wird, nicht beenden und die angesprochene Umwidmung der Kunsträume in funktionelle und ertragreiche Unternehmungen wie Parkhäuser eher beschleunigen. In den Zuschauerreihen war das wiederholte Handyleuchten beim Blick auf die Uhr jedenfalls nicht zu übersehen.
„Chekhov. Fast & Furious“ am 17. Juni in der Halle G im MuseumsQuartier im Rahmen der Wiener Festwochen