Riesenbabys und Pinkelkübel. Stücke der kanadischen Choreographin Marie Chouinard sind meistens erfreulich. Da geht es nicht um performative Diskurse über Körper und Tanz, sondern es wird einfach mit dem Körper getanzt, zu schräger Musik in phantasievollen Kostümierungen und Masken. Es ist provokant, animalisch, sinnlich, feministisch und witzig, und Chouinard ist eine Meisterin des szenischen Bildes.
Ihre Stärke sind humorvolle Miniaturen und Ensembles, zum Beispiel über die ewige Auseinandersetzung zwischen weiblichem und männlichem Prinzip. Sie ist keine Choreographin fein ziselierter Bewegungsabläufe, sondern macht Tanztheater.
Und das weist schon auf die Schwäche des Abends „Radical Vitalitiy, Solos and Duets“ hin, den Impulstanz heuer präsentierte. Dieser ist eine Art Retrospektive, in der Chouinard viele kleine Teile aus alten Stücken nahm und in einer Nummernrevue von ihren großartigen Tänzern aufführen ließ. Eine Akteurin spielte die legendäre Urinierszene aus den Achtziger Jahren nach, als Chouinard persönlich auf der Bühne vor Publikum in einen Kübel pinkelte. Es gab Acts mit riesigen Babymasken, wilden Körperbemalungen und insgesamt sehr viel Nacktheit. Nach dreißig Szenen an diesem langen Abend war es aber zu viel des Guten. (Es war also doch keine so gute Idee von Impulstanz-Festivalleiter Karl Regensburger, die ursprünglich getrennt programmierten Akte 1 und 2 an einem Abend zusammenzulegen). Es ist unsinnig, Teile aus Stücken isoliert zu zeigen. So wird es bloße Show, und das ist schade.
Cie Marie Chouinard “Radical Vitality. Solos and Duets” am 24. Juli 2018 im Volkstheater Wien im Rahmen von Impulstanz. Weitere Vorstellungen am 26. und 28. Juli
Der Artikel ist ein Originalbeitrag für die Kleine Zeitung am 26. Juli 2018.