Verbindet Sprache oder trennt sie, lautet eine der Fragen, die Liquid Loft in „Foreign Tongues“ aufwirft. Dass Gemeinsames verbindet, scheint gesicherter Faktor in der Geschichte um Seppi von der Gruppe aXe Graz, aber kann nicht gerade Unterschiedliches bereichern, fruchtbringende Kooperation erst gar ermöglichen? Zwei weitere Produktionen von La Strada 2018 fügen sich also bestens in das diesjährige Motto rund um ein Miteinander.
Foreign Tongues
Wie zieht man – trotz offensichtlich gegenteiliger Intention – eine Lederjacke nicht aus? Dies ist, wenn auch nicht neu, so doch jedenfalls in gelenkig ansprechenden Variationen zu sehen. Was diese Art Vorspiel mit dem Thema in „Foreign Tongue“ zu tun hat, wird und ist allerdings weniger ersichtlich.
Und exakt ein derartiges Manko, also das Fehlen an überraschender, innovativer oder perspektiveneröffnend klärender Verbindung von künstlerischer Bewegungs-Form und anspruchsvollem, vielschichtigem Inhalt zum großen Thema Kommunikation besteht im überwiegenden Teil dieser auf Grund eloquenter Ankündigungstexte besonders neugierig erwarteten Performance.
Eine Zeitlang und immer wider ist es amüsant und nett, den geschmeidigen, ungewöhnlichen Bewegungen der acht Tänzerinnen und Tänzer, ihrer lebhaften Gestik und ebensolcher Mimik zuzusehen; ihre rhythmische Abstimmung mit dem von jedem Akteur im Detail individuell eingesetzten Texten (dank eines von den Tänzern nach eigenem Ermessen gesteuerten, flexiblem Soundsystem) zu beobachten. Und selbstverständlich ist es witzig, wenn der eingespielte Ton so gar nicht zum vorgeblichen Sprecher passt, die verwendete Sprache bei tradierter Erwartungshaltung nicht dem Erscheinungsbild des Artikulierenden entspricht. Es ist einige Zeit unterhaltsam, über die fraglichen Gegebenheit von Übereinstimmung der zu hörenden unbekannten Sprache oder des offensichtlichen „Kauderwelschs“ und der dazu gelieferten expressiven Körpersprache, dem körperlichen Ausdruck (in der altbekannten, klischeeverbundenen Weise) nachzudenken. Und auch wenn letztendlich die eine und andere kleine, harmlose Interaktion zwischen Akteuren und Zusehern gelingt (mit dem Einsatz regionaler Idiome vor allem): Man hängt, sommerlich leicht zwar, aber ohne Netz in den bespielten Hof-Räumen der Grazer Burg.
Denn: Wie das nun auch nur in kleinen perspektivenerweiternden Ansätzen mit der verbalen Kommunikation und der des Körpers, mit deren Aussagekraft, Wahrheitswert oder gar mit dem durch sie und ihre Widersprüche oder Manipulierbarkeit noch mehr Trennenden ist, läuft oder funktioniert, das bleibt bei vielleicht ahnbaren Erklärungs-Ambitionen offen.
Seppi. Das Kind, das nicht aufhörte zu wachsen
Eine Oper ist es, die, aufgeführt im Freibereich einer streng strukturierten, dunkelgrauen Wohnsiedlung, wunderbar als Kunstform für (Alltags-)Absurdität fungiert; für folgenden Libretto-Inhalt: Zuerst weigert es sich monatelang, 32 an der Zahl, auf die Welt zu kommen, aber dann, dann fordert es rigoros umso mehr Platz und Aufmerksamkeit ein: „Seppi. Das Kind, das nicht aufhörte zu wachsen“. Seppi, das Kind, das pausenlos isst und trinkt, das jegliches Normalmaß sprengt, das das „Aus-den-Fugen-Geratene“ mit eigenen Mitteln, also maßlos vor Augen führt. Diese Geschichte von Fiston Mwanza ist eine schräge und skurrile, eine märchenhaft einfache wie real-gesellschaftskritische.
Dem Autor und Erzähler Mwanza, aXe Graz und dem Musik-Team um Patrick Dunst gelingt bei der Bühnenumsetzung im öffentlichen Raum eine stimmige Zusammenarbeit, deren visuellen Rahmen eine wiederum treffsicher gestaltete Bühne von Lisa Horvath bildet und deren inhaltliche Tiefen-Schichtung nicht unwesentlich von einem vordringlich choreografisch-gestisch agierenden „Chor“ getragen wird; einem, den Migranten-Kinder umsetzen und der als Teil der überzeugenden, bei allen groben Erzählstränge feinsinnig gestalteten Regiearbeit von Verena Kiegerl maßgeblich zur Qualität der Aufführung beiträgt.
Die Märchen-Interpretation erzählt vom bedrohlich Anderen, vom Unbekannten und damit vom vermeintlich Bösen, das letztlich aber ein gutes Herz hat und im Notfall, wenn man ihm freundlich kommt, hilft.
Die real-kritische Fassung erzählt vom Unmaß in (westlichen) zeitgenössischen Kulturen: Die (anspruchsvolle) Verzahnung dieser zwei Ebenen gelingt eher in der Inszenierung als in der Textvorlage. Die „Rollen“ der Kinder sind für Erstere das gelungenste Beispiel, da sie gleichermaßen kritisch-ironisch die Werte unserer Gesellschaft wie ihre Intoleranz, die Unbarmherzigkeit von konservativen Gesellschaften, aber auch jene von Kindern verkörpern.
Die größte Schwachstelle ist in der kritischen „Fassung“ der unlogische, der Deus ex machina-Schluss.
Liquid Loft: “Foreign Tongues “, 29. Juli in den Burghöfen (Hofgasse 15); aXe Graz: „Seppi. Das Kind, das nicht aufhörte zu wachsen“ am 29. Juli in er Theodor-Körner-Str. 113-115; beide Vorstellungen im Rahmen von La Strada Graz (noch bis 5. August)