In Kooperation mit dem Berliner Festival „Tanz im August“ zeigte das Internationale Sommerfestival in Hamburg unlängst die Europapremiere von „SEA (Singular Extreme Actions)“, eine Produktion der New Yorker Choreographin Elizabeth Streb. Akrobatik, Stunts und das Spiel mit physischen Grenzen zeichnen die grell-bunte Show aus. Ein großes Spektakel.
Unermüdlich wirbeln die acht Männer und Frauen der Strebschen Compagnie über die aufgeräumte, hell erleuchtete Bühne der Kampnagelfabrik, die hier kein fiktiver, poetischer Ort sein will, sondern eine handfeste Turnhalle mit Trampolin und halbem Riesenrhönrad. In ihren hautengen, glitzerblauen Ganzkörperanzügen scheuen die „Action Heroes“ keine Gefahr. Sie quetschen sich in ein leeres Aquarium und fliegen von einer raumhohen, sich drehenden Leiter elegant auf die nächste Turnmatte. Sie ducken sich so spät vor einem rasant routierenden Eisenträger weg, dass den Zuschauern der Atem stockt. Nervenkitzel pur. Und immer wieder rennen sie ungebremst gegen die Wand, lassen sich voller Wucht auf den Boden knallen. Zack, Krach, Bumm – geradezu schmerzhaft fühlbar wird der Aufprall des Körpers, denn DJ Zaire Baptiste verstärkt ihn mit wuchtigen Soundeffekten. Das hat etwas von einem bewegten, vertonten Comic, ist witzig und simpel zugleich.
Und es ist beeindruckend, wie leichtfüßig, aber auch kraftvoll die Akteure ihre Stunts präsentieren. Stets mit einem Lächeln auf den Lippen, einem Zwinkern ins Publikum. Egal ob Mann oder Frau, hier gibt es keine Unterschiede, nur bärenstarke Superhelden.
Die Auflösung jener Geschlechterrollen, welche ja im klassischen Ballett von zentraler Bedeutung sind, ist typisch für Elizabeth Strebs Bewegungssprache, die so genannte „Pop Action“. Streb, 1950 geboren, studierte neben Ballett auch bei der Cunningham-Tänzerin Viola Farber, ließ sich von der Arbeit Trisha Browns inspirieren und bewegte sich im Umfeld des Judson Dance Theater. 1985 gründete sie ihre Compagnie „Streb Extreme Action“, mit der sie seither zahlreiche waghalsige Körperinszenierungen verwirklicht hat. Seit 2003 gibt es außerdem in Brooklyn das „STREB Lab for Action Mechanics (SLAM)“. Ein für alle offener Aufführungs-, Trainings- und Proberaum, der pro Jahr fast 10.000 Besucher und Schüler zählt.
Ausgangspunkt und künstlerischen Ansatz ihrer Arbeit sieht Elizabeth Streb in einer Kritik am modernen Tanz und seiner Bindung an das Ballett: „Wir machen keine Pliés – wir fliegen, explodieren und sprudeln in die Luft.“ Naja, die eine oder andere kleine Anspielung auf die Tanzgeschichte findet man in „SEA“ tatsächlich. Bewegungssequenzen, die Bekanntes zitieren. Modern Dance, Ballett, aber irgendwie auch Synchronschwimmen und Turnwettbewerbe. Eine ernsthafte Auseinandersetzung, ja eine Kritik am modernen Tanz und am Ballett sollte man lieber nicht lange suchen. Dafür eignet sich dieses unterhaltsame, bunte Potpourri eher nicht.
Elizabeth Streb: SEA (SINGULAR EXTREME ACTIONS), Europapremiere am 15. August 2018 beim Internationalen Sommerfestival Hamburg im Kampnagel